© steirischer herbst/P. Manninger

Lola Arias

geboren 1976 in Buenos Aires, lebt dort und in Europa.
»Pierde sus horas entre la literatura y el teatro« stand in ihrem ersten Gedichtband über sie, und als Dichterin und Theatermacherin ist Lola Arias auch zu verstehen. Die europäische Szene ist 2007 auf sie aufmerksam geworden, als die von ihr gegründete Companía Postnuclear beim »steirischen herbst« zu Gast war: mit der Trilogie REVOLVER-TRAUM/STRIPTEASE/DIE LIEBE IST EIN HECKENSCHÜTZE, von ihr geschrieben, von ihr inszeniert und mit ihr in einer Hauptrolle.

Auszeichnungen (Auswahl):

2024 International Ibsen Award


Werke

UA: Münchner Kammerspiele, 22.6.2018. R: Lola Arias
Im Sommer 1917 fuhr Lenin mit Erlaubnis des Deutschen Kaisers in einem plombierten Zug nach Petrograd und entfachte die Funken der Oktoberrevolution. Doch die Zugfahrt hinterließ auch im Transitland Spuren: 1918 versuchte Karl Liebknecht vom Balkon des Berliner Stadtschlosses die freie sozialistische Republik auszurufen. In der Geschichtsschreibung dominieren Männer.
99 Jahre später lädt die argentinische Regisseurin Lola Arias, die sich in ihren Arbeiten gemeinsam mit nicht-professionellen Darsteller*Innen mit geschichtlicher Aufarbeitung auseinandersetzt, Menschen zwischen 10 und 86 auf die Bühne, um ihre Geschichten zu erzählen.
Gemeinsam werden sie ihr eigenes Leben rekonstruieren und das von Salomea Genin. Salomea Genin musste als Kind einer jüdischen Familie vor dem nationalsozialistischen Terror nach Australien fliehen, wo sie vom kommunistischen Traum inspiriert wurde. Bei einem Besuch in der DDR beschloss sie, den Aufbau des sozialistischen Staates auf deutschem Boden zu unterstützen. Sie arbeitete viele Jahre für die Staatssicherheit als IM, bis sie erkannte, dass die DDR ein Polizeistaat geworden war, und damit brach. Der biografische Bericht Salomea Genins wird flankiert von den Geschichten einer Übersetzerin, einer Schauspielerin, einer Punksängerin und einer vietnamesischen Vertragsarbeiterin, sowie einem Puppenspieler, einer 16jährigen Aktivistin und einer Schülerin aus Berlin Pankow.
Sie berichten vom Singen kommunistischer Arbeitslieder vor den Fabriken, von den Lehren der Sozialistischen Brüderländer, von der Überwachung im Alltag, von Konzerten in Kirchenräumen, vom Diskutieren in den Theatern der Wendezeit, von den brennenden Asylbewerberunterkünften in Ostdeutschland und den Forderungen der Geflüchteten heute. Ihre Erzählungen und subjektiven Wahrheiten zeichnen ein Bild vom Persönlichen im Politischen, vom Scheitern und Wiederaufstehen.

Eine Produktion des Maxim Gorki Theaters und Teil des Festivals Uniting Backgrounds - Theater zur Demokratie
Deutsch von Margit Schmohl
2D-1H (+ 1 Fisch im Glas)
UA: steirischer herbst, Graz, 2008.
In dem Kurzstück von Lola Arias wird China zum Sehnsuchtsort für das Mädchen Lucy, das ihrer besitzergreifenden Mutter und der regenüberfluteten Stadt entkommen will, um ihren Vater zu suchen. Ein chinesischer Supermarktbote, ein trauriges chinesisches Lied und ein Glückskeks: Botschaften vom anderen Ende der Welt, Sinnbilder für die Verheißung und Gefährdung, die das Mädchen auf ihrem Weg in die Fremde erwarten.
2D-1H (+ 1 Fisch im Glas)
UA: Maxim Gorki Theater, Berlin 18.10.2019. R: Lola Arias
Was bringt einen Teenager dazu, alleine eine gefahrenvolle Reise in ein unbekanntes Land anzutreten? Welche Situation führt Eltern dazu, ihr Kind in ein anderes, fernes Land zu
schicken, um es in Sicherheit zu bringen? Und was sagt dies über die Welt, die Gesellschaft, in der wir leben, dass Millionen von Minderjährigen ihr Leben riskieren, auf der Suche nach einer Zukunft?
Fünfzig Prozent der Geflüchteten in Europa sind Minderjährige und viele davon sind unbegleitet. Kinder und Jugendliche kommen nach Europa, um ihr Überleben zu sichern und sind konfrontiert mit einem System, das sie nur zeitweise schützt. Laut Asylgesetz dürfen unbegleitete minderjährige Geflüchtete nicht abgeschoben werden. Mit anderen Worten: sie sind sicher bis zum achtzehnten Lebenjahr. Aber welche Zukunft haben junge Menschen, wenn sie sich davor fürchten müssen, erwachsen zu werden?
Futureland ist ein Science-Fiction-Dokumentartheaterstück mit Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren, die alleine aus Afghanistan, Syrien, Somalia, Guinea, Bangladesch nach Deutschland gekommen sind. Sie haben die Welt zu Fuß, mit dem Boot oder versteckt in einem Lastwagen durchquert und leben jetzt in Berlin, umgeben von Sozialarbeiter*innen, Jugendamt, Vormündern und anderen jungen Menschen verschiedener Kulturen. Es sind Teenager, die in einer neuen Welt gelandet sind, deren Regeln sie nicht kennen. Sie haben eine Schonfrist: sie können hierbleiben, aber sie wissen nicht, wie lange. Sie müssen ständig beweisen, dass sie Asyl verdienen, eine Chance in der Schule oder einen Platz in einem Freundeskreis. Sie befinden sich zwischen den Kulturen, zwischen Kindheit und Erwachsensein, zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, auf der Suche nach ihrer eigenen Identität.
Futureland versammelt verschiedene Visionen von Zukunft – entwickelt aus den Vorstellungen jener, die schon mehr erlebt haben, als viele von uns in ihrem ganzen Leben. (Ankündigung Maxim Gorki Theater)
UA: Theater Bremen, 30.9.2023. R: Lola Arias
'Without prostitutes, the world would sink into the darkness of the universe.' (Camila Sosa Villada) — Welche Bilder tauchen in unseren Köpfen auf, wenn wir an Sexarbeit denken? In ihrer neuen Arbeit taucht die argentinische Schriftstellerin, Theater- und Filmregisseurin Lola Arias in eine Welt voller Tabus und Kontroversen ein. Ein Manager zahlt 250 Euro, um sich in seiner Mittagspause den Penis durchstechen zu lassen; eine Studentin arbeitet als Domina, um ihr Studium zu finanzieren; eine Sexarbeiterin reist jede Woche in eine andere Stadt, um Kunden aus dem ganzen Land zu treffen und ein Trans-Performer bietet von seinem Wohnzimmer aus virtuelle Sexdienste für Kunden an, die dafür bezahlen, ihn zu sehen, ohne gesehen zu werden. In Bremen, zu Zeiten der florierenden Hafenindustrie einst wichtiger Arbeitsplatz für Sexarbeiter:innen, erforscht Lola Arias unser Verhältnis zur Intimität. In immersiven Räumen ist das Publikum eingeladen, Tänzer:innen und Sexarbeiter:innen zu begegnen und mit ihnen über unser Verhältnis zu Sex, Geld, Lust und Schmerz zu reflektieren. (Ankündigung Theater Bremen)
UA: Festival Theaterformen/Staatstheater Hannover, 8.7.2021. R: Lola Arias
In ICH BIN NICHT TOT stehen Rentner*innen und Pflegekräfte zusammen auf der Bühne, um den Aufstand zu proben gegen den zugewiesenen Platz im System. Sie fordern: Weg mit dem Vorurteil von den vermeintlich stillen und anspruchslosen "Alten", hin zu einer Zukunftsvision, die der jungen Generation ein besseres Bild vom Älterwerden zeigt. Live-Videos und Filmsequenzen mischen sich mit den Stimmen der Protagonist*innen,, von denen nahezu alle erstmalig in einer Theaterproduktion mitspielen. ICH BIN NCHT TOT ist ein Stück, das sich an der Schnittstelle von Realität und Fiktion bewegt.
9D
UA: Maxim Gorki Theater, Berlin, 11.9.2022, R: Lola Arias
Ist Mutterschaft ein Wunsch? Wessen Wunsch? Ist die Fortpflanzung ein Job? Was würde passieren, wenn wir in den Gebärmutterstreik treten würden?
Im Jahr 2021 ist das Recht zu entscheiden, wann und wie man Mutter wird, ein umstrittenes Recht. Vielerorts wird für eine legale Abtreibung gekämpft, während mancherorts, wo sie bereits legal ist, das Gesetz rückgängig gemacht werden soll. Der Diskurs polarisiert sich entlang der Fragen nach der niedrigen Geburtenrate, den Möglichkeiten der künstlichen Befruchtung, der Legalisierung der Leihmutterschaft, der Adoption durch Alleinstehende und homosexuelle Paare. An der Front der Fortpflanzung wird eine echte politische Schlacht geführt.
Jahrhundert, geschrieben aus den Geschichten von Müttern mit Migrationshintergrund, von Transmüttern und -vätern, von heterosexuellen Müttern, die auf künstliche Befruchtung zurückgreifen, von lesbischen Müttern, schwulen Vätern mit Kindern, von Müttern im Teenageralter, von Frauen, die abgetrieben haben, von Frauen, die adoptiert haben, von Frauen, die keine Kinder haben wollen, und von vielen anderen, die sich fragen, wie man das Wort Mutter neu erfinden kann.
In einem hybriden Raum zwischen Bibliothek und Kuriositätenkabinett, in dem Dokumente, Filme und Musik ausgetauscht werden, rekonstruieren die Performer:innen die Vergangenheit und diskutieren über die Zukunft.
9D
Deutsch von Margit Schmohl
3D (Ratte, Hund, Papagei)
UA: Stadttheater Bern, 16.5.2009. R: Jan Stephan Schmieding
Im Zentrum des Kurzstücks von Lola Arias stehen drei Frauen aus drei Generationen, deren einzige Bindung die zu ihrem Haustier ist. Das Verlassen- und Erwachsenwerden einer Tochter, die Flucht einer Mutter aus der Alltagsroutine, der Gedächtnisverlust einer Großmutter im Alter: Die drei verschränkten Monologe fügen sich zwar zu einer einzigen Familien-Geschichte, doch die Protagonisten kommen nicht mehr zueinander. Es ist ein Text über die Zersplitterung von Familie in unabhängige Einzelgänger, den Lola Arias für das Festival "Verlorene Paradiese / Paradise Lost" in Bern geschrieben hat.
3D (Ratte, Hund, Papagei)
Deutsch von Margit Schmohl
4D-3H
UA: Compañia Postnuclear, Buenos Aires, 2007. R: Lola Arias.
DSE: Stadttheater Bern, 30.12.2008. R: Antje Thoms
Der Heckenschütze schießt aus dem Hinterhalt: Wie die Liebe das Leben bedroht, ist das Thema der Trilogie von Lola Arias, die zu den interessantesten Künstlern des argentinischen Theaters zählt. Die Annäherung zweier ungleicher Unbekannter im Dunkel der "postnuklearen" Großstadt, das nächtliche Telefongespräch eines Ex-Paares vor den Augen des Babies, eine Partie Russisches Roulette mit sechs Selbstmordkandidaten: zärtliche Geschichten von Träumen, Todessehnsucht, Liebeswahn, düster, phantastisch und pointiert.
Mal mit absurden Humor, mal mit leidenschaftlicher Melancholie begibt sich Lola Arias auf die Suche nach Nähe und Ferne in der Liebe: eine eigenwillige Mischung aus Monologen, Songs, Heulwettbewerben, Boxkämpfen und Küssen. Eine Beichte, ein Konzert, ein Tanztheater mit echtem Baby und jeden Abend einem anderen Toten.
4D-3H
UA: Münchner Kammerspiele, 22.6.2018. R: Lola Arias
Du fliehst aus dem einen und landest in einem anderen Land. Wenn Du dort ankommst, hast Du keinen Pass, keine Fotos, keine Papiere, keine wie auch immer gearteten Dokumente, die beweisen würden, wer Du bist und wieso Du geflohen bist. Du hast nur Deinen Körper und eine Geschichte. Die Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 stellt fest, dass jede Person, die in ihrem Land verfolgt wird, das Recht auf Asyl hat. Der wichtigste Teil des Asylverfahrens ist ein Interview, das ein/e Staatsbedienstete/r, ein/e ÜbersetzerIn und der/die AntragstellerIn hinter verschlossenen Türen führen. Die Glaubwürdigkeit des/r AntragsstellerIn wird anhand seiner/ihrer Worte und Gesten beurteilt und jedes Wort wird schriftlich festgehalten, wie ein kleines Kammerspiel. Wie sagst Du, was sie hören wollen? Welche Gesten, Pausen oder Gefühle werden Dein Schicksal bestimmen? Wie erzählst Du jemandem eine glaubwürdige Geschichte, der/die Dein Land nur von Google Maps her kennt?
'What They Want to Hear' basiert auf der Geschichte eines syrischen Mannes, der seit vier Jahren ohne irgendeinen Status in den Fängen der Bürokratie feststeckt. Es ist ein Projekt, das in einer Zeit sich schließender Grenzen aus der Zusammenarbeit von syrischen und deutschen SchauspielerInnen, AktivistInnen und Geflüchteten entsteht. (Ankündigung Münchner Kammerspiele)
Mit zahlreichen farbigen Abbildungen
Deutsch von Margit Schmohl
Die Argentinierin Lola Arias ist die vielseitigste und hierzulande bekannteste Vertreterin einer neuen Generation von schreibenden Theatermachern aus Südamerika. MEIN LEBEN DANACH ist eine eindrückliche Auseinandersetzung mit der jüngsten argentinischen Vergangenheit: Sechs Personen, damals Kinder, suchen und sichern Spuren und Erinnerungen an ihre Eltern und an deren Leben, an deren Rolle während der Militärdiktatur.

Wie war der Tag, an dem du zur Welt kamst? Wie waren deine Eltern damals? Was für ein Leben führten sie? Wie war deine Kindheit? Welche Erinnerungen sind dir kostbar? Solche Allerweltsfragen verlieren ihre Beiläufigkeit, wenn die Befragten einer Generation angehören, die in eine Militärdiktatur hineingeboren wurde und aufwuchs mit lückenhaften, verschwommenen oder erfundenen Geschichten darüber, was in jener Zeit wirklich geschah. Die sechs Schauspieler, mit denen die argentinische Schriftstellerin, Musikerin und Regisseurin Lola Arias das Dokumentar-Stück MEIN LEBEN DANACH entwickelt hat, gehören zu jener Generation. Die drei Frauen und drei Männer rekonstruieren ihre eigene Kindheit und die sehr verschiedenen Lebensläufe ihrer Eltern anhand von persönlichen Fotos und Briefen, Kleidungs- und Erbstücken: Erschreckendes und Idyllisches, Alltägliches und Ungeheuerliches.
Zum Argentinien-Schwerpunkt der Frankfurter Buchmesse 2010 erscheint MEIN LEBEN DANACH auf deutsch als Buch: Neben die Erinnerungen und Beschreibungen treten Familienfotos und Abbildungen von Gegenständen, die ihre eigene Geschichte erzählen: geschmuggelte Tonkassetten, ein letzter Brief, ein Paar Stiefel des Großvaters oder ein Miniaturauto.

MEIN LEBEN DANACH schlägt in der Auseinandersetzung mit einer belasteten Vergangenheit einen unaufgeregten, klaren Ton an. Es ist eine nüchterne Recherche am eigenen Leben, die das Böse im Banalen aufdeckt und die lapidare Erkenntnis liefert, dass Ungeheuerliches damals alltäglich war.

140 Seiten. broschiert. 22€
ISBN: 978-3-88661-335-9

Mit zahlreichen farbigen Abbildungen
Der Krieg dauerte keine drei Monate und er wurde um eine entlegene Inselgruppe im Südatlantik geführt. In Europa ist der Falklandkrieg zwischen Argentinien und Großbritannien so gut wie vergessen, vielleicht erinnern sich manche am ehesten noch an das Foto der jungen Britin, die ihrem Marinesoldaten beim Auslaufen eines Kriegsschiffes zum Abschied fröhlich winkend den nackten Busen zeigt.

Doch für Soldaten ist kein Krieg eine Lappalie, sondern eine grausame Erfahrung, die ihr Leben für immer prägt. Das erfährt man aus den berührenden Geschichten von sechs Veteranen, die Lola Arias in ihrem jüngsten, inzwischen auch verfilmten Dokumentarstück MINENFELD zusammentreffen und das Wort ergreifen lässt. Drei Engländer und drei Argentinier erzählen, wie sie Soldaten wurden, wie sie, bejubelt von aufgestachelten Massen, in den Krieg geschickt wurden, wie sie, schlecht ausgerüstet und kaum vorbereitet, Kameraden und Feinde sterben sahen, wie sie als Sieger oder Besiegte nach Hause kamen, und wie schwer sie in ein ziviles Leben zurückgefunden haben.

MINENFELD seziert die Mechanismen kriegerischer Konflikte und lässt uns durch die konkreten Erinnerungen ahnen, was Krieg bedeutet: Es »wird erlebbar, was das Töten Fremder im Auftrag einer Regierung mit Menschen anrichtet. Wie es ist, die in den Taschen eines getöteten Gegners gefundenen Familienfotos immer vor Augen zu haben. Zugleich Angst vor dem Erinnern und dem Vergessen zu haben.« Hannoversche Allgemeine Zeitung.
Am Ende sieht man sich mit der Frage nach den eigenen Werten konfrontiert: »Würden Sie ihre Kinder in den Krieg schicken?« »Würden Sie selbst in den Krieg ziehen?« »Wofür würden Sie kämpfen?«

110 Seiten. broschiert. 14€
ISBN: 978-3-88661-391-5