© Sara Weigand

Frank Weigand

geboren 1973 in Stuttgart, lebt als freiberuflicher Journalist und Übersetzer in Berlin. Er interessiert sich vor allem für kollaborative Übersetzungsprozesse und den machtpolitischen Aspekt sprachlicher und kultureller Übertragung. Bislang hat er über 100 Stücke französischer und frankophoner Dramatiker sowie Sachbücher aus den Bereichen Soziologie, Philosophie und Performancetheorie ins Deutsche übertragen. Seit 2011 gibt er gemeinsam mit der Regisseurin Leyla-Claire Rabih die Theateranthologie "SCÈNE - neue französische Theaterstücke" im Verlag Theater der Zeit heraus.


Werke

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UA: Théâtre national de la Colline, Paris, 19.9.2018. R: Alexandra Badea
Amar stammt aus dem Senegal und lebt in Paris. Er hat seinen Vater nie kennengelernt; dieser gehörte zu den so genannten Senegalschützen, die im Zweiten Weltkrieg an der Seite Frankreichs gegen Deutschland kämpften. Den Krieg hatte er überstanden, kam aber nie zu Hause an. Jahrzehnte später liest der Lehrer Régis in den Aufzeichnungen seines sterbenden Großvaters von dem grauenhaften Ereignis, dem Amars Vater zum Opfer fiel. Die Journalistin Nora will verstehen, was in diesem toten Winkel der Geschichte geschehen ist, und beschließt, eine Radiosendung darüber zu machen. Die Schicksale der Figuren sind miteinander verflochten, ihre Geschichten verbinden sich mit der europäischen Geschichte, mit der Geschichte des europäischen Kolonialismus, dessen furchtbares Erbe bis heute nicht aufgearbeitet ist.
Die in Rumänien aufgewachsene, französische Schriftstellerin Alexandra Badea belichtet in diesem Stück ein historisches Ereignis, das in der offiziellen Geschichtsschreibung Frankreichs lange verdrängt wurde: das Massaker von Thiaroye, das die Kolonialtruppen an über 300 Senegalschützen verübten, als diese ihren Sold forderten. Bis heute kennt man den genauen Ort der Gräber nicht. "Die Schattenseiten der Geschichte" müsse sie als Neufranzösin nun ebenso mit sich tragen wie die großen, glorreichen Kapitel, erfuhr Alexandra Badea bei ihrer Einbürgerung. Den Schattenseiten spürt die Autorin seither nach, daraus entsteht die Theater-Trilogie AUS DEM SCHATTEN. Mit THIAROYE liegt nun der erste Teil auf Deutsch vor.
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2D-3H (auch größer besetzbar)
UA: Théâtre PàP / Productions À tour de rôle, Carleton-sur-Mer, 10.7.2012. R: Claude Poissant
DER TAG, AN DEM ICH EIN GUTER MENSCH SEIN WOLLTE erzählt die Geschichte von zwei Freunden aus Kindheitstagen, Bruno und Gilles, die sich nach 17 Jahren wieder treffen. Gilles hat eine erfolgreiche Karriere als Anwalt in der Stadt hinter sich, während Bruno in dem Heimatort geblieben ist. Die Umstände des Wiedersehens sind jedoch keine gewöhnlichen. Denn Brunos 9-jähriger Sohn schwebt nach einem Unfall zwischen Leben und Tod, nicht zuletzt, weil der Krankentransport nicht schnell genug vonstatten ging. Bruno ist deswegen vor Gericht gezogen. Das verklagte Unternehmen hat eine Anwaltskanzlei beauftragt, und die wiederum setzt ausgerechnet Gilles auf den Fall an...
Vor diesem Hintergrund nun ist Gilles also zurück in seinem Heimatort, umgeben von realen und imaginären Gestalten aus der Vergangenheit - angefangen bei seiner schrillen Mutter, über die Geister seiner verstorbenen Brüder bis hin zum Vater, den er nie gekannt hat. Und eigentlich würde Gilles seinem Kindheitsfreund gerne erzählen, dass er das Mandat für den Fall unter den gegebenen Umständen natürlich sofort und ohne zu zögern niedergelegt hat. Aber: so ist es nicht.
Ein Stück über unseren starken Wunsch, "gut" zu sein, dem jedoch kleine Feigheiten und große Widersprüche in die Quere kommen.
2D-3H (auch größer besetzbar)
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UA: Théâtre La Rubrique, Jonquière, 16.1.2008.
Ein Dorf, am Ufer eines Flusses. Die Fischer sind arbeitslos, Opfer eines Sturms, der ihre Lebensgrundlagen zerstört hat. Die Frauen sind desillusioniert. Und dann ist da June, eine junge Frau, die ihren Vater nicht kennt, weil dieser einer von Vielen im Dorf ist, die den erlittenen Schiffbruch in den Armen ihrer Mutter zu vergessen suchten. Nun ist es June, die mit ihren Striptease-Nummern für die einzige Abwechslung sorgt. In diese Tristesse, aus der es kein Entrinnen zu geben scheint, verschlägt es Denis, einen Lkw-Fahrer auf der Durchreise, dessen Zwischenstopp sich unfreiwillig verlängert, weil sein Truck den Geist aufgibt.
Mit ihrem Debüt DIE SINTFLUT DANACH hat Sarah Berthiaume sich in Kanada einen Namen gemacht: Das Stück wurde 2006 mit dem Prix L’Égrégore ausgezeichnet und 2007 beim Festival d'Avignon vorgestellt.
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UA: La compagnie d’entraînement/Théâtre des Ateliers d'Aix-en-Provence, 8.6.2017. R: Alain Simon.
DSE: Volkstheater Wien, 30.9.2017. R: Paul Spittler
Extremophil nennt man Organismen, die unter Extrembedingungen existieren, weil sie sich der Lebensfeindlichkeit ihrer Umgebung anzupassen wissen. Das gilt im übertragenen Sinne auch für die drei Figuren in Alexandra Badeas gleichnamigem Stück: ein Kabinettsleiter, ein Drohnenpilot und eine junge Wissenschaftlerin. Sie alle resümieren ihr bisheriges Leben und erkennen, wie viel sie haben opfern müssen. Reue und vergessene Träume treten in einen Dialog; menschliche Risse klaffen weit auf.
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UA: La Bataille / Centre du Théâtre d’Aujourd’hui, Montréal, 16.1.2018. R: Sébastien David.
DSE: Theater Osnabrück, 6.9.2019. R: Anna Werner
Für einen Beitrag über "Berufe der Zukunft" führt die junge Journalistin Maude eine Reihe von Interviews in Unternehmen durch. Sie selber ist freischaffend und damit ihre eigene Chefin. Aber bedeutet die fehlende Trennung von Privat- und Berufsleben nicht einfach nur eine andere Form der Entfremdung? Je mehr sich Maude jedenfalls in ihre Recherchen vertieft, desto stärker werden ihr Leben und ihre Arbeit durcheinander gewirbelt. Am Ende führen die unterschiedlichsten Spuren - der Kofferraum eines in Japan fabrizierten Autos, eine indische Fabrik für Damenunterwäsche und ein texanischer Ausdauerwettbewerb namens "Hands on a hard body" - auf wundersame Weise alle zu Maudes Wohnung, die zugleich ihr Büro ist.
Mit NYOTAIMORI hat Sarah Berthiaume ein kleines Stück über die großen Zusammenhänge der Globalisierung geschrieben, über Arbeitswelt und Müdigkeitsgesellschaft. Sie zeigt ein ökonomisches System, das die Menschen in Maschinen und die Frauen in Objekte verwandelt. Mit viel Humor überschreitet NYOTAIMORI die Grenzen von Raum und Zeit, von Wirklichkeit und Surrealem, um unser Arbeits- und Konsumverhalten spielerisch zu hinterfragen.
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Der junge Dimitri wächst ohne Eltern auf. Seine Mutter ist zum Arbeiten ins Ausland gegangen, sein Vater verdingt sich als Söldner. Als auch noch sein geliebtes Skateboard kaputtgeht, möchte Dimitri am liebsten ein wildes Tier werden. Flora, seine beste Freundin, schminkt ihn als Wolf – und das Unglaubliche geschieht: Dimitri verwandelt sich tatsächlich in ein Wolfsjunges und flieht in den Wald... WER HAT ANGST VOR DEM WOLF? ist ein phantasievolles Märchen über zwei Kinder und ihre Phantasie-Fluchten in einem vom Krieg gezeichneten Land.
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Altersempfehlung: ab 8 Jahren.
von Sarah Berthiaume
Übersetzung zusammen mit Christa Müller
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UA: Théâtre d’Aujourd’hui, Montréal, R: Martin Faucher; Théâtre de la Colline, Paris, R: Cécile Pauthe, 2013.
DSE: Tiroler Landestheater Innsbruck, 23.10.2013. R: Susanne Schmelcher.
DE: Heidelberger Theater, 15.11.2013. R: Miriam Horwitz
Der Yukon, nahe der Grenze zu Alaska – hierher hat es vier einsame Figuren verschlagen: Yuko, ein japanisches Mädchen, das ausgewandert ist, nachdem sie jemanden verloren hat; Garin, ein Halbblut auf der Suche nach seiner verschollenen Mutter; Dads, sein Vater mit Leberzirrhose im fortgeschrittenen Stadium, und Kate, eine junge Ausreißerin, die an nichts glaubt und für die nur das Hier und Jetzt zählt.
Sarah Berthiaumes stark von Kino und Fernsehästhetik geprägter Selbstfindungstrip YUKONSTYLE führt drei junge Menschen mit komplizierter Vergangenheit im rauen Nordwesten Kanadas zu sich selbst und schließlich zueinander. Die Autorin zeichnet das schwarzhumorige Porträt eines abgelegenen Mikrokosmos, der doch nur die Kehrseite der Globalisierung darstellt. "Ich hab im Internet nachgeschaut, wo auf der Welt es die wenigsten Japaner gibt. Das war hier. Also habe ich alles verkauft. Und bin hergekommen", sagt Yuko.
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UA: Théâtre National de Strasbourg, 4.2.2014. R: Aurélia Guillet / Jacques Nichet.
DSE: Schauspielhaus Graz, 25.9.2015. R: Nina Gühlstorff
Vier Berufe, vier Städte: Shanghai, Dakar, Lyon, Bukarest. Das Leben in einem Unternehmen an vier Ecken der Welt. Eine chinesische Fertigungskraft erzählt, was sie jeden Tag in der Fabrik erleiden muss: die tägliche Demütigung. Zur gleichen Zeit prangert ein senegalesischer Abteilungsleiter eines Call-Centers die Grausamkeiten an, die sein Vorgesetzter an den Tag legen kann, um "Zahlen zu machen". Anderswo erlebt ein Qualitätssicherungsmanager, wie sein Familienleben unter dem Druck der Arbeit zusehends leidet. Und in Bukarest berichtet eine Versuchs- und Entwicklungsingenieurin über ihre Schwierigkeiten, sich zu integrieren, erfolgreich zu sein und die Karriereleiter hinaufzuklettern. Der Alltag dieser Individuen ist rau, scharfkantig, manchmal grausam und beschämend.
Mit ihrem erstaunlich konstruierten Stück liefert Alexandra Badea eine Reihe von Porträts und zerlegt vor unseren Augen das System, das die Globalisierung und ihre Mechanismen hervorgebracht haben.
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