Vladimir Sorokin

geboren 1955 bei Moskau. Ausgebildet als Ingenieur für Petrochemie und Gasindustrie, findet er über den Umweg der bildenden Kunst zur Literatur. Mitte der 70er Jahre gerät er unter die Maler und Schriftsteller des Moskauer "underground", in den Kreis der Konzeptualisten und der sog. "Soz-Art" – Ilya Kabakov, Erik Bulatov, Andrej Monastyrskij. Lebt in Moskau.


Werke

Deutsch von Peter Urban
Besetzung ad libitum
UA: Staatsschauspiel Dresden, 9.11.1994. R: Carsten Ludwig
DAS JUBILÄUM zeigt eine Feier zum zehnjährigen Bestehen des Cechov-Protein-Kombinats. Großes wurde geleistet: Man konnte das "dringende Bedürfnis nach klassischem Protein" befriedigen. Zur Feier des Tages geben Schauspieler eine Cechov-Aufführung: der gesamte Cechov auf einmal - alle wichtigen Figuren, ihre Sätze beim ersten Auftritt, ihre schicksalsschweren Worte am Stückende.
Besetzung ad libitum
Deutsch von Barbara Lehmann
5H
UA: Theatergruppe Schule der russischen Anmaßung, Moskau, 1993. R: Vadim Sakevic
Der 1990 entstandene Dreiakter ist ein soldateskes Sprachexperiment, das mit expressionistischen und futuristischen Versatzstücken ebenso ironisch spielt wie mit Elementen von Liturgie und Litanei, Maschinenpathos und Landserethos:
Vier Soldaten üben sich in der Kunst des Überlebens. Sie geraten in einen Ausnahmezustand, in dem das Kriegsende und die gegenwärtige Lage in Russland verschwimmen. Dabei erweisen sich die ideologischen Phrasen als hohl, die Sehnsucht nach Heimat bleibt ungestillt, und auch die Religion vermag über die Krise nicht hinwegzutrösten.
5H
Deutsch von Dorothe Trottenberg
2D-1H
UA: Neue Bühne Senftenberg, 5.3.2004. R: Sascha Bunge
In DIE KONKRETEN lässt Sorokin reiche, snobistisch coole Jugendliche nach dem Glückskick suchen. Dabei scheinen sie aus einer fast unwirklichen Zukunftswelt zu kommen. Zugleich wirken sie mit ihrer skurrilen Kunstsprache, einem Kauderwelsch aus chinesisch, englisch und deutsch, auch wie Szene-Jugendliche von heute, die sich z. B. auf einem Schulhof für einen Disko-Besuch verabreden. Es sind Vergnügungssüchtige. Junge, sich krampfhaft (selbst)befriedigende Extrem-Egozentriker. Plastik-Figuren, deren Sexualorgane teilweise bereits künstlich verbessert wurden.
Diese Vergnügungsfresser schlingen mit großer Gier alles in sich hinein: von Drogen über Alkohol bis zum Sex. Und wenn sie sich bei einem Clubspiel in verschiedenste Szenen aus berühmten Büchern beamen lassen, dann verleiben sie sich damit nicht nur die Literatur buchstäblich ein, sondern sie scheinen sich ganz real in die Figuren hinein zu fressen.
2D-1H
Deutsch von Thomas Wiedling
1D
UA: Schauspiel Leipzig, 18.5.2001. R: Sascha Bunge
1986. Potztausend, die Großmutter lebt. Was hat das Leben gebracht? Den Krieg damals, Paulina, weißt du noch. 1941, es gab zu stricken, und heiraten konnte man, ach hätte man's doch lieber nicht getan, wozu auch, wenn der Kerl sofort darauf im Feld vermisst blieb. Aber die Großmutter lebt. Die alte Lampe ist noch heil. Söhne und Enkel gibt es außerdem, und Schwiegertochter Lidija ist eine ganz Patente. Sie wohnen alle hinten in Murmansk. Paulina, Freundin, Schwägerin, wo bist du? Vor Moskau, beim Teufel, im Krankenhaus? Es ist niemand da zum Reden. Im Krieg geblieben ist der Kerl, was bitte soll das heißen - vermisst?
Der Monolog der namenlosen russischen Frau wird in Sorokins Stück dreimal wiederholt. Vergewisserung des Stattgefundenen als ein Akt von Geschichtsbildung? Oder serielle Vermarktung eines russischen "Bilderbuchschicksals"?
1D
Deutsch von Barbara Lehmann
2D-7H
DE: Bremer Theater, 15.2.2001. R: Marlon Metzen
Das Drama ist die Droge, so die FAZ über Sorokins "vielleicht bühnenwirksamstes Stück" DOSTOJEVSKIJ-TRIP, in dem der "Spezialist für die Hochspannungsleitungen der Kultur" diese Metapher wörtlich nimmt und in ein rauschhaftes Vexierspiel umsetzt: Eine Gruppe von Junkies wird von ihrem Dealer mit erstklassigem Stoff versorgt, mit Dostojevskij. Die Droge verwandelt sie in Figuren aus Dostojevskijs Klassiker "Der Idiot". Der Gruppentrip wird zu einem ekstatischen, tödlichen Rausch.
2D-7H
Deutsch von Peter Urban
Besetzung ad libitum
UA: das schauspielhaus, Wien, 30.11.1996. R: Christian Stückl
DYSMORPHOMANIE, so lautet die Krankheit, an der die sieben Patienten einer psychiatrischen Anstalt leiden: Sie sind besessen von der Vorstellung, missgestaltet zu sein, und versuchen, diese angeblichen Deformationen zu verdecken. In Theaterkostüme gekleidet, beginnen die zunächst passiven Kranken zu agieren: Sie treten auf als Figuren aus "Hamlet" und aus "Romeo und Julia". Zunehmend bricht in die Dramenvorlage die Wirklichkeit der Patienten hinein: Die Akteure fallen aus ihren Rollen, die Dialoge verkümmern zu Satzstummeln, Szenen wiederholen sich. Zurück bleiben die Requisiten der Psychose.
Besetzung ad libitum
Deutsch von Peter Urban
UA: Düsseldorfer Schauspielhaus, 15.1.1996. R: Dimiter Gotscheff
EIN MONAT IN DACHAU ist ein dramatischer Prosatext, der erste, den Vladimir Sorokin in Deutschland geschrieben hat:
Der Traum eines Russen, einmal das KZ Dachau zu besichtigen, wird wahr. Und der Wahnsinn bricht aus. Wahnsinn, im Wortsinn. Es beginnt ein hemmungslos brutaler, kannibalischer und pornografischer Albtraum, der den Dichter in die Abgründe des deutschen und des sowjetischen Totalitarismus blicken lässt.
Deutsch von Thomas Wiedling
2H (Statisten)
Sylvesternacht des Jahres 1986: Zvetkov hat die Renovierungsarbeiten in seiner Wohnung unterbrochen, sitzt müde vor dem Fernseher und kommentiert die Nachrichtensendung "Vremja". Seine abstrusen, sexuell konnotierten Reaktionen auf die Berichterstattung über die Rückkehr der Einwohner in die Dörfer um Tschernobyl und auf politische Tagesereignisse werden immer wieder von kurzen Telefonaten unterbrochen.
Der polemische MonoDialog mit dem Fernseher bleibt nicht ohne Folgen. Zvetkov sieht sich in seiner Wohnung plötzlich der ausführenden Gewalt eines kranken Staates gegenüber - die Kreissäge heult, das Opfer schreit, und natürlich fließt Blut. In Stücke zersägt, endet Zvetkov in einem Müllsack, die Moderatoren der Nachrichtensendung wünschen: "Gutes Neues Jahr, verehrte blöde Wichser".
Die absurden Verschiebungen der Ebenen verbindet Sorokin mit groteskem Zynismus und perverser Phanatasie, und schockiert mit dem Grauen aus der Geschichte.
2H (Statisten)
Deutsch von Barbara Lehmann
2D-7H (+ Chor)
UA: Volksbühne Berlin, 2.11.1995. R: Frank Castorf
Ein ungewöhnliches Paar: Günther von Nebeldorf, Sohn eines Nazi-Schergen, und die Russin Mascha, Tochter eines jüdischen Professors und einer stalinistischen Richterin, wollen heiraten. Doch die beiden finden nicht wirklich zueinander, denn Günther hat Schuldkomplexe und Mascha ein Helfersyndrom. Entsprechend wird die Hochzeitsreise zu einem so schrillen wie heilsamen Abenteuer. Die plakative und drastische Weise, in der Sorokin Naziverbrechen und Stalinismus und deren Fortwirken in die nächsten Generationen behandelt, ist Absicht und Provokation: Ein "Vaudeville in 5 Akten" nennt der Autor sein Stück, und wie in einem Vaudeville geht es zu: deftig, schrill, bissig und vergnüglich.
2D-7H (+ Chor)
Deutsch von Barbara Lehmann
Besetzung ad libitum
UA: Staatstheater Cottbus, 12.3.1999. R: Michael Hase
Die Grünen haben die Herrschaft übernommen, auf Tiertötung steht Gefängnis. Die Meister alter russischer Kochkunst organisieren sich im Untergrund, rivalisierende Banden kämpfen nach Mafia-Art um verbotene Rezepte und rare Zutaten... Ein groteskes Drama über die Absurdität von Ideologien.
Besetzung ad libitum
DIE HOCHZEITSREISE
Deutsch von Barbara Lehmann
Produktion: SDR 1996
Erstsendung: 29.02.1996
78 Min.
Ein Monat in Dachau
Deutsch von Peter Urban
Produktion: SDR 1993
Erstsendung: 04.04.1993
62 Min.
DIE SCHLANGE
Deutsch von Peter Urban
Produktion: SDR 1991
Erstsendung: 03.11.1991
47 Min.
Deutsch von Peter Urban
DYSMORPHOMANIE, so lautet die Krankheit, an der die sieben Patienten einer psychiatrischen Anstalt leiden: Sie sind besessen von der Vorstellung, mißgestaltet zu sein, und versuchen, diese angeblichen Deformationen zu verdecken. In Theaterkostüme gekleidet, beginnen die zunächst passiven Kranken zu agieren: Sie treten auf als Figuren aus "Hamlet" und aus "Romeo und Julia". Zunehmend bricht in die Dramenvorlage die Wirklichkeit der Patienten hinein: Die Akteure fallen aus ihren Rollen, die Dialoge verkümmern zu Satzstummeln, Szenen wiederholen sich. Zurück bleiben die Requisiten der Psychose.

DAS JUBILÄUM zeigt eine Feier zum zehnjährigen Bestehen des Cechov-Protein-Kombinats. Großes wurde geleistet: Man konnte das "dringende Bedürfnis nach klassischem Protein" befriedigen. Zur Feier des Tages geben Schauspieler eine Cechov-Aufführung: der gesamte Cechov auf einmal - alle wichtigen Figuren, ihre Sätze beim ersten Auftritt, ihre schicksalsschweren Worte am Stückende.

112 Seiten. broschiert. 13€
ISBN: 978-3-88661-145-4

Deutsch von Barbara Lehmann
Vladimir Sorokin gilt als "begabtester unter den russischen Avantgardisten Moskaus" (Der Spiegel).

PELMENI ist ein verstörendes Tryptichon der russischen Gesellschaft: Es beginnt wie ein uriges Volksstück und endet als alptraumhafte Groteske, wobei das russische Nationalgericht Pelmeni die Hauptrolle spielt. Das Stück weist jedoch auch über Rußland hinaus: es spiegelt die Trostlosigkeit einer Gesellschaft, "deren Seele zerstört ist, die keine Werte mehr hat, der nur noch eines geblieben ist: das Essen" (FAZ).

In HOCHZEITSREISE schickt Sorokin ein ungewöhnliches Paar in einen bizarren honeymoon: den Sohn eines deutschen Nazis und die jüdische Tochter einer stalinistischen Richterin. In gewollt schriller und reißerischer Weise behandelt das Stück so komplexe Themen wie Naziverbrechen, Schuld, Täter-Opfer-Verhältnis und ist seit seiner Uraufführung an der Berliner Volksbühne eines der meistgespielten Stücke zum Thema 'deutsche Vergangenheitsbewältigung'.

134 Seiten. broschiert. 14€
ISBN: 978-3-88661-179-9

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