© Hartmuth Schröder

Hans Magnus Enzensberger

geboren 1929 in Kaufbeuren/ Allgäu. Studium der Literaturwissenschaft, Sprachen und Philosophie in Erlangen, Freiburg i. Br., Hamburg und Paris. Seit 1956 Dichter und Schriftsteller, Dozent, Herausgeber, Lektor, Übersetzer und Redakteur bei verschiedenen Institutionen im In-und Ausland. Literarisches Debüt mit dem Lyrikband "Verteidigung der Wölfe". Sein schriftstellerisches Werk umfasst fast alle literarischen Gattungen: Gedichte, Romane, Essays, Theaterstücke, Hörspiele, Opernlibretti u.a. Hans Magnus Enzensberger starb am 24. November 2022.

Auszeichnungen (Auswahl):

2015 Frank-Schirrmacher-Preis
2009 Sonning-Preis
2006 Medienpreis 2006 von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und Verleihung des Enzensberger-Sterns
2006 Premio d’Annunzio
2002 Ludwig-Börne-Preis
2002 Prinz-von-Asturien-Preis
2000 „Hörbuch des Jahres“ der hr2-Hörbuchbestenliste
1998 Heinrich-Heine-Preis der Stadt Düsseldorf
1994 Kultureller Ehrenpreis der Landeshauptstadt München
1993 „Das politische Buch“, verliehen von der Friedrich-Ebert-Stiftung
1993 Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis
1985 Heinrich-Böll-Preis
1980 Goldener Kranz-Preis – Die Abende der Poesie in Struga
1978 Deutscher Kritikerpreis
1966 Preis der Stadt Nürnberg
1963 Georg-Büchner-Preis
1962 Deutscher Kritikerpreis


Werke

nach Molière
3D-8H
UA: Freie Volksbühne Berlin, 11.12.1979. R: Peter Zadek
In einer Gesellschaft des Scheins haben es die Ehrlichen schwer: Der Adelige Alceste will unbedingte Wahrhaftigkeit. Sich zu verbiegen ist ihm ein Graus, Höflichkeit bedeutet ihm nichts als Heuchelei. Damit macht sich Alceste schnell Feinde. Selbst seine Geliebte Célimène bevorzugt die kleinen Flirts und Komplimente anderer Männer gegenüber Alcestes griesgrämigen Treueschwüren. Als ein Brief auftaucht, in dem sie ihre diversen Liebhaber verspottet, und sich diese daraufhin von ihr abwenden, sieht Alceste seine Chance gekommen, seine Grundsätze vor aller Welt unter Beweis zu stellen. Er will trotz des Skandals zu ihr stehen und fordert sie auf, mit ihm zusammen die Gesellschaft am Hofe hinter sich zu lassen. Doch Célimène lehnt dankend ab. Alceste muss sich entscheiden, ob er bleibt oder in die selbstgewählte Verbannung geht.
3D-8H

Das Werk ist in folgenden Mundartfassungen erhältlich:

  1. Der Menschenfeind. Hochdeutsch
  2. De Mäntschefind.
    Schweizerdeutsch von Heiri Landis
5D-8H
UA: Staatliche Schauspielbühnen Berlin, 26.10.1984. R: Hanns Zischler
Enzensbergers MENSCHENFREUND ist das Gegenteil von Molières Misanthrop, der lieber nichts mit den Menschen zu tun hätte, weil sie seinen Idealen nicht genügen. Enzensbergers Philanthrop dagegen mischt sich überall und in alles gern ein, weil er die Menschen nicht idealisiert. Er ist ein Geist, der stets das Gute will und dies nur mit bösen Mitteln schafft: mit Verdrehungen, Täuschungen, Lügen, Betrug, Fälschungen. Ein liebenswürdiger Zyniker der Moral.
DER MENSCHENFREUND beruht auf dem weithin unbekannten Stück "Est-il bon, est-il méchant" ("Ist er gut, ist er böse?") von Diderot, der sich in diesem Werk in der Hauptfigur, die er Hardouin nannte, selbst porträtierte.
Enzensberger greift den halbvergessenen Text und den reizvollen Stoff auf und gestaltet daraus eine sensible und ironische Darstellung einer Gesellschaft, der nicht mehr zu helfen ist.
5D-8H
2H
UA: Städtische Bühnen Freiburg, 25.9.1993. R: Hans J. Ammann
Denis Diderots "Jacques le fataliste" und "Rameaus Neffe" sind die großartigen Exempel einer Dialogform, die Hans Magnus Enzensberger in seinem Zweipersonenstück DIDEROT UND DAS DUNKLE EI fortführt:
Ein unangemeldeter Besucher dringt bei Diderot ein, um das Gespräch mit ihm zu suchen. Für den französischen Philosphen und Enzyklopädisten ist es zunächst nur einer von vielen lästigen Gästen. Doch dann erweckt ein "schwarzes Ei", das der Besucher bei sich trägt, sein Interesse...
Ein Dialog über die Jahrhunderte - über das Paris der vorrevolutionären Zeit, über Voltaire und d'Alembert, über die Aporien des Fortschritts, die kommende Herrschaft der Pädagogen, die Notwendigkeit des Luxus und Diderots eigene parasitäre Existenz.
2H
Besetzung ad libitum
UA: Schauspiel Essen, 16.1.1992. R: Hansgünther Heyme
Semiramis, Tochter der Luft und Kind des Unglücks, gewaltsam gezeugt, in der Wildnis aufgewachsen und in einer Höhle gefangen gehalten, wird befreit und heiratet den König von Ninive. Zwanzig Jahre später ist sie eine grausame Herrscherin und erringt in blutigen Kriegen "furchtbare Siege". Ein Aufstand zwingt sie, zugunsten ihres Sohnes abzudanken. Der junge König ist ein Fürst des Friedens, ihr Ebenbild und zugleich ihre verleugnete zweite Natur. Semiramis setzt ihn gefangen und besteigt erneut den Thron: Die Mutter spielt den Sohn, die Frau den Mann. Eine ungeheure Verwirrung der Gefühle ist die Folge, die in einer Katastrophe enden muss.
Hans Magnus Enzensberger hat seine Fassung der TOCHTER DER LUFT für die Inszenierung am Wiener Burgtheater 1999 noch einmal überarbeitet.
Besetzung ad libitum
Musik von Ludwig van Beethoven
UA: Theater Bremen, 29.6.1974. R: Nikolaus Lehnhoff
2D-3H
UA: Kunstfest Weimar/3sat, 29.6.1996. R: Andreas Missler-Morell
NIEDER MIT GOETHE ist eine Groteske aus historischen Zeugnissen. Enzensberger hat eine Satire geschrieben, kenntnisreich, respektlos, behende mit dem Material operierend, lehrreich und unterhaltsam zugleich. (Lutz Hagestedt)
2D-3H
2H
UA: Salzburger Festspiele/Westdeutscher Rundfunk Köln, 7.8.1999. R: Klaus Mehrländer
2H
5D-9H
UA: Staatstheater Kassel, 2.3.1990. R: Manfred Beilharz
Ein Liebeskampf in sieben Sätzen ist der Untertitel dieser Geschichte von der jungen, ungestümen Auguste Bußmann und dem arrivierten Dichter Clemens Brentano, die anhand von zeitgenössischen Dokumenten aus den
Jahren 1807 bis 1832 erzählt wird. Das ungleiche Paar steht einer Gesellschaft gegenüber, die im Stück als eine Art Chor fungiert – sie alle raunen und wispern, tratschen, räsonnieren und witzeln über die dramatische Be-ziehung und Ehe der beiden.
5D-9H
UA: Theater am Neumarkt, Zürich, 29.4.1989. R: Willi Händler
2H (Statisten)
UA: Renaissance-Theater Berlin, 26.1.1997. R: Piet Drescher
Goethe, Hegel, Brecht und Foucault waren nicht die einzigen, die in "Rameaus Neffen" ein Meisterwerk sahen. Auch auf dem Theater hat Diderots Dialog in verschiedenen Fassungen immer wieder triumphiert. Ein unsterbliches Paar hat der Autor auf die Bühne gebracht: den hauptberuflichen Moralisten und seinen Gegenspieler, den Zyniker, Parasiten und verkrachten Künstler. Am Ende müssen die beiden einsehen, daß sie einander ähnlicher sind, als ihnen lieb sein kann. In ihnen kündigt sich das zerrissene Bewusstsein der Moderne an.
Hans Magnus Enzensberger hat diesen berühmten Text Diderots neu geschrieben. An die Stelle des halbvergessenen Opernkomponisten Rameau ist Voltaire höchstpersönlich gerückt. Die Szenerie ist nicht das literarische Café, sondern das Foyer einer Akademie, die eine hochpolitische Beratung über die Ausbeutung der Kolonien abhält. Und wo Diderot an das Treiben in den Pariser Salons anknüpfte, an Opernintrigen und Schauspielerkabalen, stehen nun Börsenspekulationen und Arbeitsplätze, die Geheimpolizei und der Sklavenhandel im Mittelpunkt. Entstanden ist auf diese Weise die respektvolle Fälschung eines Klassikers.
2H (Statisten)
von Eric Peterson und John Gray
Musik von John Gray
1H (+ 1 Pianist)
UA der deutschen Fassung: Bayerisches Staatsschauspiel München, 8.10.1986. R: Thomas Schulte-Michels
Ein "Heldenlied aus dem ersten Weltkrieg" nennt sich dieses Episoden-Musical für einen Schauspieler und einen Pianisten. Billy Bishop spielt und erzählt die Geschichte seines Aufstiegs vom naiven kanadischen Soldaten zum gefeierten Kriegsheld und Luftmarschall bei der British Air Force während des Ersten Weltkriegs. Dabei spielt der Darsteller des Billy Bishop auch alle anderen Rollen, ob General oder Stabsarzt, Chansonniere oder König George V. Ein Pianist begleitet ihn und greift ab und zu ins Geschehen ein, z.B. als Roter Baron Manfred von Richthofen. Eine satirische Entlarvung des Mythos vom "anständigen" Krieg.
1H (+ 1 Pianist)
4D-12H
UA der Übersetzung: Landestheater Neuss, 2.4.1980. R: Karl Wesseler
Der wohlhabende, aber ziemlich einfältige Geschäftsmann Monsieur Jourdain in Paris möchte gern ein Adelsangehöriger werden, da ihm sein bürgerliches Dasein missfällt. Um sich als künftiger adeliger Edelherr zu bilden, stellt er einen Musiklehrer, einen Tanzlehrer, einen Fechtmeister und einen Philosophen und auch einen Schneider mit seinen Gesellen an. Seine hübsche Tochter Lucile will er zur Marquise machen, indem er versucht, sie mit einem Edelmann zu vermählen, aber Lucile liebt Cléonte, einen gutbürgerlichen Kaufmann, den sie wider den Willen des Vaters heiraten will. Er selbst verliebt sich in eine elegante Marquise und wirbt manierlich, indem er sie reichlich beschenkt. Dorante, ein verarmter Edelmann, intrigiert bei dem Liebeshandel mit der verehrten Marquise Dorimene und deckt seine eigenen Schulden ab. Jourdains Ehefrau kritisiert seine alberne Mildtätigkeit und ahnt, dass das adelige Paar ein falsches Spiel mit ihm und seinem Geld treibt. Jourdain, der edelmännische Bürger, wird schließlich das Opfer eines raffinierten Familienkomplotts. Cléonte begreift, dass er Lucile nur dann ehelichen kann, wenn es Monsieur Jourdain erlaubt, und so tritt er nun als Sohn eines hoheitlichen türkischen Gesandten auf, um schließlich die Heirat zu erwirken. In einem festlichen Akt wird letztendlich eine doppelte Hochzeit gefeiert, denn auch das Kammerfräulein der Lucile hat den rechten Ehemann, den Kammerdiener des Cléonte, gefunden.
4D-12H
2D-13H
UA (unter dem Titel "Raspljuevs fröhliche Tage"): Kleines Suvorin Theater, St. Petersburg, 15.9.1900.
Erstaufführung der Fassung: Staatstheater Kassel, 31.5.1975. R: Wolfgang Quetes
Aleksandr Suchovo-Kobylins einzige dramatische Arbeit ist eine Trilogie, deren letzter Teil TARELKINS TOD ist, eine "Satire, die den Zuschauer nicht zum Lachen, sondern zum Zittern bringen solle" (Mirskij). Die Ähnlichkeiten mit Jarry, Kafka und dem späteren Absurden Theater, besonders mit Mrozek, liegen auf der Hand.
Hans Magnus Enzensbergers deutsche Fassung geht mit der Vorlage frei, aber nicht unbekümmert um. Im Vergleich zu anderen Übersetzungen arbeitet sie "profilierter die Eigengesetzlichkeit des Korruptiven in der Gesellschaft" (Mannheimer Morgen) heraus. Enzensberger hält sich an die Intentionen des Autors wie an die Handlung des Stücks:

Tarelkin ist am Ende. Halsabschneider haben ihn seiner letzten Mittel beraubt, Gläubiger rennen ihm die Tür ein und drohen ihm bei weiterer Zahlungssäumigkeit mit den schlimmsten Folgen. Also macht Tarelkin ein Ende mit sich. Tarelkin bringt Tarelkin um. und doch bleibt Tarelkin am Leben. In der guten Stube wird ein Sarg aufgebahrt – angefüllt mit faulen Fischen. Der sich ausbreitende Gestank soll Besuchern und zuständigen Beamten derart ‚auf die Nase schlagen’, dass sie nicht genau hinsehen und ein rasches Begräbnis arrangieren.
2D-13H
VOM HÖRENSAGEN ODER MERKWÜRDIGE SCHICKSALE EINES JUNGEN ENGLÄNDERS
Produktion: WDR 2000
Erstsendung: 09.01.2000
60 Min.
OHNE UNS. EIN TOTENGESPRÄCH
Produktion: WDR/ORF 1999
Erstsendung: 07.08.1999
59 Min.
DIDEROT UND DAS DUNKLE EI
Produktion: SFB 1993
Erstsendung: 09.05.1993
48 Min.
BÖHMEN AM MEER
Produktion: WDR/NDR/SWF 1988
Erstsendung: 12.05.1988
85 Min.
MADAME DE LA CARLIéRE ODER DIE WANKELMÜTIGEN
nach Denis Diderot
Produktion: SDR/HR 1984
Erstsendung: 29.07.1984
54 Min.
REQUIEM FÜR EINE ROMANTISCHE FRAU
Produktion: WDR/SFB 1983
Erstsendung: 13.12.1983
43 Min.
EIN WAHRES HÖRSPIEL
nach Denis Diderot
Produktion: SFB/SWF 1982
Erstsendung: 03.08.1982
48 Min.
WOHNKAMPF
Produktion: WDR/RB 1982
Erstsendung: 12.12.1982
39 Min.
DAS UNHEILVOLLE PORTRÄT
nach Denis Diderot
Produktion: WDR 1981
Erstsendung: 15.12.1981
44 Min.
DER MENSCHENFEIND
nach dem Französischen des Molière
Produktion: WDR 1980
Erstsendung: 06.10.1980
77 Min.

Newsletter

Regelmäßig – aktuell und kompakt – informiert über neue Stücke und Inszenierungen, über Personen und Projekte und vieles mehr.

Hier abmelden »