Alain-René Lesage

geboren 1668 in Sarzeau, gestorben 1747 in Boulogne-sur-Mer. 1707 gelang ihm mit der Komödie CRISPIN, DER RIVALE SEINES HERRN der künstlerische Durchbruch: Lange vor Beaumarchais’ Figaro zeigt Lesage’s Crispin, wie sehr die bestehende Ordnung bereits von Auflösung geprägt ist. Als einer der ersten unabhängigen Berufsschriftsteller gab Lesage die Gesellschaft der Satire preis, ein Dario Fo des frühen 18. Jahrhunderts. Sein bekanntestes Stück ist der TURCARET.


Werke

Deutsch von Werner Simon Vogler
3D-4H
Hätte Molière nicht gelebt, Alain-René Lesage (1668-1747) stünde wohl an seiner Stelle. Als einer der ersten unabhängigen Berufsschriftsteller gab er die Gesellschaft der Satire preis. So hat Lesage zwar im französischen Theater seinen Platz, in Deutschland jedoch gilt es ihn, einen Dario Fo, des frühen 18. Jahrhunderts, noch zu entdecken.

CRISPIN, DER RIVALE SEINES HERRN ist ein aufsässiger, anarchischer Spaß, eine handfeste barocke Farce, ein spontanes, subversives Volksstück, das bis heute nichts von seiner Lebendigkeit und Unmittelbarkeit verloren hat:
Der Titelheld Crispin, Diener eines reichen Jüngelchens, verrät seinen Herrn, indem er dessen Rolle spielt: die des Frauenhelden und Mitgiftjägers. Er gibt diesen Part mit solch schamloser Virtuosität und betrügerischer Eleganz, dass er ans Ziel zu gelangen scheint, nämlich ins Bett der vornehmen jungen Dame und an ihr Geld. Doch er geht das Spiel von der falschen Seite an – von unten.
Anders als Molières oder Goldonis Schurken und Spitzbuben, deren Eskapaden der Ziele ihrer Herrschaften dienen, richtet sich Crispin bewusst gegen die Interessen seines Herrn. Lange vor Beaumarchais’ Figaro zeigt Lesages CRISPIN auf, wie sehr die bestehende Ordnung bereits unterhöhlt und von Auflösung geprägt ist.
Werner Simon Voglers Übersetzung dieser Trouvaille erhellt Lesages Kraft und Charme und offenbart die Frische und Nähe dieses Stücks.
3D-4H
Deutsch von Gerda Scheffel
5D-8H
UA der Übersetzung: Theater der Stadt Bonn, 19.4.1979. R: Helmut Polixa
Gegen Ende der Herrschaft Ludwig XIV., in der Adel wie Bürgertum vor allem ihrem Vergnügen nachjagten, verfügten die Geldverleiher über beträchtliche Macht. Gegen hohe Zinsen halfen sie manchem, der sein Geld am Spieltisch durchgebracht hatte, aus der Klemme. Sie waren die eigentlichen Nutznießer dieser an Ausschweifungen reichen Zeit.
In Lesages Prosakomödie wird einer dieser Finanziers, Turcaret, überm Ausplündern anderer selbst ausgeplündert: von einer jungen, nicht ganz waschechten Baronin, die ihrerseits von einem jungen Chevalier ausgenommen wird. Auch das Dienerpaar Frontin und Lisette hält beim Schröpfen der Herrschaft wacker mit. Die beiden werden am Ende der vielen Verwicklungen als einzige wirklich profitiert haben. Frontin kann zu guter Letzt triumphieren: "Monsieur Turcaret hat ausgespielt. Jetzt fängt meine Herrschaft an."
Lesage hatte erhebliche Schwierigkeiten, eine Aufführung seines Stückes durchzusetzen, da die Theaterleute sich vor der Macht der angegriffenen Finanzwelt fürchteten. Auch vom König, der wegen seines chronischen Geldmangels von ihr abhängig war, kam keine Unterstützung. So schlug das Stück erst 21 Jahre nach seiner Uraufführung, 1730, richtig durch und bekam in Frankreich seinen Erfolg, der sich bis in unsere Tage immer wieder einstellte - zuletzt u.a. bei einer Inszenierung von Luc Bondy, der über den TURCARET bemerkt:
"Dies ist ein Stück über Geld, in einer trockenen, sehr modernen lakonischen Sprache. Ich finde es eine Schande, dass es in Frankreich, wo es so viele Finanzskandale wie den mit Elf-Aquitaine gibt, keinem Dramatiker gelingt, ein Stück zu schreiben, das nicht gleich ein Fernsehdrehbuch wird. Warum behandelt niemand diese Themen? So ist man gezwungen, auf Lesage zurückzugreifen, um eine Geschichte über die Sexualität des Geldes zu erzählen: nicht über Sex und Geld, sondern über die Sexualität des Geldes."
5D-8H

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