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Anna Gmeyner

geboren 1902 in Wien. Stammte aus einer liberalen jüdischen Familie. Studium in Wien. Ging 1925 nach Berlin, wo sie im selben Jahr den Physiologen Berthold P. Wiesner heiratete, mit dem sie 1926, als er eine Stelle an der Universität Edinburgh annahm, nach Schottland umzog. Nach der Trennung des Paars kehrte sie 1930 nach Berlin, später nach Wien zurück und arbeitete u. a. als Dramaturgin bei Erwin Piscator. Ihre in dieser Zeit entstandenden Lieder und Balladen wurden u. a. von Hanns Eisler und Herbert Rappaport vertont. Als die Nationalsozialisten im Januar 1933 die Macht übernahmen, hielt sich Gmeyner in Paris auf, wo sie an den Drehbüchern mehrerer Filmprojekte von Georg Wilhelm Pabst arbeitete. Sie kehrte nicht nach Deutschland zurück,... und noch 1933 wurde ihr Werk dort verboten. Gmeyner wurde unterdessen zu einer bekannten Autorin der Exilliteratur: AUTOMATENBÜFETT, das beim Kleistpreis 1932 eine "lobende Erwähnung" erhalten hatte, wurde noch 1933 am Schauspielhaus Zürich mit Therese Giehse in der Hauptrolle aufgeführt, und 1938 veröffentlichte der renommierte Querido-Verlag in Amsterdam ihren Roman "Manja". Gmeyner zog ca. 1935 von Paris nach London und heiratete dort den russischstämmigen Religionsphilosophen Jascha Morduch. Von 1940 bis 1950 lebte sie mit ihrem Mann zurückgezogen in Berkshire. Nach dessen Tod 1950 begann sie wieder zu schreiben und veröffentlichte unter dem Namen Anna Morduch mehrere englische Bücher (u. a. Biographien, religiöse Erzählungen und Lyrik). Zuletzt lebte sie im englischen York, wo sie 1991 starb.


Werke

7D-12H
UA: Kammerspiele des Thalia-Theater, Hamburg, 25.10.1932, R: Hans Stiebner.  Zweitinszenierung: ›Theater der Schauspieler‹ im Theater am Schiffbauerdamm, Berlin, 25.12.1932, R: Moritz Seeler.  Schweizer Erstaufführung (unter dem Titel "Im Trüben fischen")
Ein Automatenbüfett ist der letzte Schrei in der Kleinstadt zur Zeit des sozialen Umbruchs in den "Goldenen" Zwanzigern. Es zieht einen Schwarm von närrischen und gierigen, versponnenen und gemeinen, idealistischen und eigennützigen, erfolgreichen und "abgebauten" Bürgern vom Apotheker bis zum Stadtrat an, die in der Wirtsstube und dem angrenzenden Vereinsraum aufeinandertreffen. Ein personenreiches Stück mit wunderbaren Ensembleszenen, in denen sich allgemeine gesellschaftliche Verhaltensweisen spiegeln.

"Eingeklemmt zwischen immer aggressiver auftretendem Antisemitismus und den immer härter geführten Kämpfen zwischen links und rechts, schuf Anna Gmeyner komplexe Figuren, die Opfer und Täter in einem sind. [...] ihre Stoffe sind auf bedrückende Weise heutig." (Sasha Marianna Salzmann)
7D-12H
Deutsch von Amanda Lasker-Berlin
3D-10H
Ein Gericht irgendwo in der Provinz. Zwölf Geschworene, neun Männer und drei Frauen, haben über eine Beziehungstat zu befinden. Aus Eifersucht soll ein Mann seine Frau in den Tod gestoßen haben. Indizien und Augenzeugen belasten den Angeklagten schwer. Doch das Urteil lässt auf sich warten. Denn je länger die Geschworenen über den Fall beraten, desto mehr zeigen sich soziale Ungleichheiten und festgefahrene Geschlechterrollen unter ihnen selbst. Standesdünkel, Besitzansprüche, Revierverhalten und Sexismen brechen sich Bahn. Derweil rechnet man im Gerichtssaal nebenan mit einer schnellen Entscheidung, und der knorrige alte Gerichtsdiener sieht mit wachsender Ungeduld nach dem Rechten. Doch gerade als man sich auf einen Schuldspruch zu einigen scheint, meldet sich ein Geschworener zu Wort, der bis dahin geschwiegen hat …

Mit großer Beobachtungsgabe und pointierten Dialogen erzählt Anna Gmeyner von Gewalt gegen Frauen und von der Schwierigkeit, wahr und falsch zu unterscheiden. Eine Geschichte von tiefer Menschlichkeit und frappierender Aktualität, mit 12 gleichwertigen Rollen.

ENDE EINER VERHANDLUNG ist ein Fund aus dem Nachlass der Autorin. Das Stück liest sich wie eine Anspielung auf den Filmklassiker "Die zwölf Geschworenen", ist mutmaßlich aber deutlich früher entstanden - noch unter Gmeyners Pseudonym während der Nazizeit und in der Sprache ihres englischen Exils. Amanda Lasker-Berlin hat den Text ins Deutsche übertragen.
3D-10H
8D-10H
UA: ›Neue Freie Bühne‹ im Trianontheater, Dresden, 27.10.1929. 
Zweitinszenierung: ›Theater der Arbeiter‹ am Wallner-Theater, Berlin, 26.1.1930, R: Slatan Dudow.
Ein Bergwerksunglück verändert das Leben der Bevölkerung von Lochmoor, einem kleinen Dorf im schottischen Kohlengebiet, mit einem Schlag: Während die Angehörigen um das Leben der verschütteten Bergleute bangen, machen sich Andere Sorgen um die Zukunft des Werks, an dem ihre Existenz hängt; derweil die Werksleitung die Schuld für das Unglück auf die Bergmänner zu schieben versucht. Gefangen in ihrer jeweiligen Not suchen die Figuren dennoch nach einer Möglichkeit von Gemeinschaft und Solidarität.
HEER OHNE HELDEN, das erste Theaterstück von Anna Gmeyner, entstand unter dem Eindruck des großen Bergarbeiterstreiks von 1926 in Schottland, dessen Zeugin die Autorin wurde. Hanns Eisler komponierte hierfür das "Lied der Bergarbeiter".
8D-10H
Große Besetzung ad libitum
UA: Theater Oberhausen, 30.9.2022. R: Thomas Ladwig
Das letzte Theaterstück von Anna Gmeyner aus dem Nachlass: WELT ÜBERFÜLLT beginnt als Kriminalgeschichte, die sich jedoch kaleidoskopartig zu einem Gesellschaftspanorama weitet. Vor dem Hintergrund eines organisierten Diebstahls entspinnt sich eine Großstadtgeschichte um Arbeitslosigkeit und Liebe, Existenzängste und Glücksverheißungen. Mit großer Beobachtungsgabe und Empathie zeichnet Gmeyner das Porträt einer "überfüllten" Welt der kleinen Leute, die sich im Umbruch befindet und in der alle irgendwie ihren Platz zu finden hoffen.
Große Besetzung ad libitum
2D-12H
UA: Agitprop-Truppe ›Kolonne Links‹ (Berlin) / Internationales Theater der Arbeiter, Magnitogorsk (Russland), 10.7.1932.
In einer Kugellagerfabrik während der Wirtschaftskrise ist der Druck allseits groß. Die Arbeiterinnen und Arbeiter schuften im Akkord; der Direktor muss sich angesichts schlechter Zahlen gegenüber den Aufsichtsräten rechtfertigen. Doch mitten hinein in die Krisenstimmung gibt es einen Hoffnungsschimmer: Der jüdische Arbeiter Markowski, ein eigenbrötlerischer Tüftler, entwickelt eine Maschine, die allen das Leben leichter machen soll. Doch Kollegen wie Fabrikleitung erkennen schnell: Die neue Methode sorgt eher für Entlassungen als für Entlastung, und so sieht sich Markowski bald antisemitischen Anfeindungen ausgesetzt, die ihn schließlich in den Wahnsinn treiben.
Anna Gmeyners zweitem Theaterstück liegen Recherchen in der Berliner Siemensstadt zugrunde. 1932 uraufgeführt, handelt ZEHN AM FLIESSBAND von auch heute aktuellen Themen: von einer sich rasant verändernden Arbeitswelt, von Rationalisierung und Antisemitismus.
2D-12H
Anna Gmeyner (1902-1991), aufgewachsen in einer jüdischen Wiener Anwaltsfamilie, lebte zwischenzeitlich in Berlin und Edinburgh, arbeitete als Dramaturgin bei Erwin Piscator und feierte erste Erfolge mit eigenen Theaterstücken, ehe sie 1933 vor nationalsozialistischer Verfolgung zunächst nach Paris, später nach London floh, was ihre Laufbahn als Dramatikerin jäh beendete. 1938 erschien ihr Roman "Manja" im deutschsprachigen Amsterdamer Exilverlag Querido.
Dieser Band versammelt die beiden letzten, vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise angesiedelten Bühnentexte der Autorin: In "Automatenbüfett" ist das titelgebende Lokal der letzte Schrei in einer Kleinstadt. Es zieht einen Schwarm von närrischen und gierigen, versponnenen und gemeinen, idealistischen und eigennützigen, erfolgreichen und ‚abgebauten‘ Gästen an, die hier ihre Interessen ausfechten, während unterschwellig die politischen Spannungen zunehmen. "Welt überfüllt" beginnt wie ein Krimi in Großstadtkulisse, weitet sich dann aber zu dem kaleidoskopartigen Porträt einer von sozialen Umbrüchen geprägten, zersplitterten Gesellschaft. 
 
"Anna Gmeyner schuf komplexe Figuren, die Opfer und Täter in einem sind. Und ihre Stoffe sind auf bedrückende Weise heutig." (Sasha Marianna Salzmann)

256 Seiten. 15€
ISBN: ISBN 978-3-88661-411-0