Ernst-Jürgen Dreyer

geboren 1934 in Oschatz, Studium der Musikwissenschaft in Weimar, Jena und Leipzig. Romanautor und Dramatiker. Ernst-Jürgen Dreyer starb 2011 in Neuss.

Auszeichnungen (Auswahl):

1982 Preis der Frankfurter Autorenstiftung
1980 Hermann-Hesse-Preis für den Roman "Die Spaltung"


Werke

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UA: Staatstheater Kassel, 21.5.1988. R: Matthias Fontheim
Schauplatz ist ein Pensions-Zimmer Mitte der 60er Jahre in Westberlin, in dem der Fotograf Günter aus Hannover (ehemaliger Bürger der DDR) mit einer Frau absteigt, Anne, lebenslustig und geschieden, die sich von diesem Wochenendausflug auf dem Kurfürstendamm zumindest ein erotisches Abenteuer verspricht. Während Anne in dieser Nacht versucht, Günter in ihr Bett zu bekommen, hält der allen Verführungskünsten stand und grübelt über seinem Plan, mit Hilfe der nichtsahnenden Anne und deren Pass seine bei seiner Flucht aus der DDR zurückgelassene Frau über die deutsch-deutsche Grenze zu schmuggeln. Denn darum hat er Anne in Hannover angesprochen: Sie sieht seiner Frau Dorle zum Verwechseln ähnlich, ist wie ihr Double.
Ein höchst raffiniertes und spannende Spiel, von Dreyer kunstvoll auf verschiedenen Sprachebenen geführt, die Dialoge in einer strengen Form komponiert: eine Kammermusik für zwei Virtuosen.
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2D-6H
Ernst-Jürgen Dreyer schrieb selbst über sein Künstlerdrama:
"DER EISERNE STEG ist ein Vexierspiel der Koinzidenzen. Wirkt das Schauspiel als Abrechnung mit der zeitgenössischen bildenden Kunst, so findet deren Verteufelung doch ausschließlich im verwirrten Verstand von Pamela statt, der Gattin des Künstlers.
Weist vom scheinbaren Blutpakt bis zur Namenskoinzidenz mit dem 'Junker Faland' alles auf die Teufelsrolle des Kunsttheoretikers Heinz Volland hin, der den Frankfurter Bildhauer Erdmann Zach zum verhängnisvollen Erfolg ver-führt, so sit doch Volland vielmehr der Typus des armen Teufels: Journalist aus Mangel an künstlerischer Produktivität, den er über den Umweg der Förderung von Künstlern kompensiert, zu denen er eine stets aufs Neue betrogene erotische Neigung hegt.
Wer in Erdmann Zach den Onjektkünstler der Dokumenta-Ausstellung sieht, übersieht, dass die Entwicklung des Bildhauers nur scheinbar mit den Tendenzen der gegenwärtigen Kunst koinzidiert und dass sich Zach die Förderung bloß aus karrieristischen Gründen gefallen lässt.
Sollte aber die Moral des Stückes in der Strafe für den Karrierismus gesucht werden, als die Pamelas Todessprung vom Eisernen Steg aufgefasst werden könnte, so erwäge man, ob einem Künstler das Recht abzusprechen ist, eine Chance wahrzunehmen, die ihn einer Not enthebt wie derjenigen Erdmanns, der, um eine vierköpfige Familie zu ernähren, sonst bis ans Lebensende Gartenzwerge und Disney-Figuren modellieren müsste. Und ob einer Künstlersgattin nicht Geduld und Vertrauen zuzumuten sind. Womit sich alle Fragen wieder auf Pamela konzentrieren: Warum bringt sie diese Geduld nicht auf? Wer ist sie über den pathologischen Fall hinaus? Was ist es, woran sie krankt?"
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Besetzung ad libitum
UA: Münchner Kammerspiele, 12.4.1985. R: Harald Clemen
Eines der raren Stücke über die deutsche Teilung - inzwischen ein Historiendrama. DIE GOLDENE BRÜCKE spielt kurz vor und unmittelbar nach dem Bau der Berliner Mauer, der für viele bedeutet: die Brücke ist abgebrannt, zumindest in einer Richtung. Und doch scheint es zumindest einer Person des Stückes zu gelingen, die Isolation zu überwinden und das ersehnte Glück zu finden - ausgerechnet dort, wo man es am wenigsten erwartet hätte.
Besetzung ad libitum
4D-5H
UA: Städtische Bühnen Münster, 8.10.1988. R: Jürgen Kloth
Arad (Rumänien) in den 80er Jahren: Eine rumäniendeutsche Familie hat nach Jahren der Ungewissheit und des Wartens die Genehmigung zur Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland erhalten. Am frühen Morgen soll es mit dem Autor nach Bukarest gehen, von dort mit dem Flugzeug nach Köln. Die Nacht vor der Fahrt nach Bukarest ist eine Nacht der Abschiede und der Hoffnungen, aber auch eine der Angst, dass in letzter Minute doch noch etwas dazwischen kommen könnte. In dieser Nacht kommen die wenigen, die von der geheimgehaltenen Ausreise der Famillie wissen, zum Abschiednehmen. Das jahrelange Warten hat das Ziel in einem Maße verklärt, dass die Realität nur schrecklich enttäuschend werden kann. Dreyers Schauspiel ist das Porträt einer Gruppe von Menschen, die von den gesellschaftlich-politischen Umständen so gezeichnet sind, dass selbst ganz Privates von ihnen zeugt. Dreyer beschreibt diese Menschen und ihre Beziehungen untereinander mit einer geradezu erschreckenden Genauigkeit: Wir sehen ihnen zu, wie sie sich in unsere Welt wünschen, und wir sehen dabei unsere Welt, wie sie nicht ist.
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UA: Freie Bühne Weiden, Wien, 11.3.2015. R: Michaela Ehrenstein
Einen DOPPELTEN BODEN hat Ernst-Jürgen Dreyers Stück deshalb, weil es einmal, vordergründig, die Geschichte eines Abschieds ist, dann aber auch, verdeckt, die einer möglichen terroristischen Aktion. Im Hinterzimmer des Restaurants der 75jährigen Ungarin Scharinäni packt die hochschwangere griechische Kellnerin ihre Koffer, um mit dem Flugzeug nach Israel zu reisen. Ihr "Verlobter" Hassan, ein palästinensischer, in Frankfurt eingeschriebener Medizinstudent, möchte, dass seine zukünftige Frau das Kind in seiner Heimat, im Kreise der Familie bekommt, und dass dann nach Abschluss der Examina dort geheiratet wird. Das Stück, von der Geschichte her ein großer Einakter, beschreibt den Abschied der beiden Frauen voneinander. Es sind die zwei Stunden, bevor Kalliopi abgeholt wird zur Fahrt zum Flughafen. Kalliopi ist glücklich, voller Zuversicht und Vertrauen auf die Zukunft, die alte welterfahrene Ungarin, ihre Chefin, voller böser Ahnungen und Voraussagen. Als eine von Hassan überbrachte Reisetasche auftaucht, wird sie von Scharinäni auf einen doppelten Boden hin untersucht: Soll Kalliopi als unwissende und unverdächtige Trägerin einer Tasche missbraucht werden, in der eine Bombe für die El Al-Maschine tickt...?
Dreyers spannendes Kammerspiel ist wahrscheinlich das erste multikulturelle Theaterstück der deutschen Theatergeschichte. Ähnlich wie in seinem Stück SPRACHKURS, so agieren auch schon in DOPPELTER BODEN ausschließlich Ausländer.
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Das Stück spielt in einem Wohnheim von Stipendiaten der Otto-Benecke-Stiftung: sieben Asylanten, Umsiedler aus Rumänien, Russland, Polen, treffen aufeinander, auch eine Vietnamesin ist darunter, sieben junge Leute mit verschiedenen Muttersprachen, aber verbunden durch ein mehr oder weniger stark tradiertes oder erlentes Deutsch und der Hoffnung auf ein neues Leben: sieben Einzelne aus den Migrantenströmen in Europa mit ihren Vorstellungen von Deutschland und den Deutschen, und dem Zusammenstoß dieser Vorstellungen mit der sie überwältigenden Realität. Dabei wird nicht der Konflikt mit den Deutschen dargestellt (diese tauchen gar nicht auf), wenngleich der bedrohliche Hintergrund der Fremdenfeindlichkeit immer präsent ist - sondern im Zentrum des Geschehens steht der Wettstreit zwischen den Heimatlosen selbst, die sich in Herkunft und Sprache, Idealen und Moralvorstellungen unterscheiden, und die doch ein gemeinsames Ziel vereint: Sie wollen Deutsche sein.
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Eines der raren Stücke über die deutsche Teilung - inzwischen ein Historiendrama. DIE GOLDENE BRÜCKE spielt kurz vor und unmittelbar nach dem Bau der Berliner Mauer, der für viele bedeutet: die Brücke ist abgebrannt, zumindest in einer Richtung. Und doch scheint es zumindest einer Person des Stückes zu gelingen, die Isolation zu überwinden und das ersehnte Glück zu finden - ausgerechnet dort, wo man es am wenigsten erwartet hätte.

102 Seiten. broschiert. 10€
ISBN: 978-3-88661-066-2