© Olivier Martinaud

Christophe Pellet

Geboren 1963 in Toulon, studierte zunächst Literatur in Aix-en-Provence und Drehbuchschreiben an der Pariser Filmhochschule FEMIS. Seine ersten Texte entstanden für den Rundfunk. Darüber hinaus dreht Pellet Filme jenseits des Mainstreams, die u.a. im Centre Pompidou gezeigt werden. Durch die Lektüre von Dramatikern wie Racine, Marivaux, Giraudoux oder Tennessee Williams erwachte sein Interesse fürs Theater. Heute lebt er als Theater- und Drehbuchautor in Paris.

Auszeichnungen (Auswahl):

2017 Prix du jeune théâtre de l'Académie française
2009 Grand Prix de Littérature Dramatique für DER VORTRAG


Werke

Deutsch von Gerhard Willert
1D-3H (auch größer besetzbar)
UA: On s’en occupe / Corine Péron, 2020/21, R: Olivier Martinaud
In Zeitsprüngen und poetisch dichter Sprache zeigt Christophe Pellet in APHRODISIA sechs Figuren auf der Suche nach einem authentischen, ursprünglichen Leben inmitten einer von Funktionalität und Effizienz geprägten Gesellschaft:

Mit seinem Diplom in der Tasche unternimmt der junge Nimrod nicht nur seine ersten Schritte in die Arbeitswelt. In den Armen seiner Kollegin Kléa versucht er darüber hinaus eine andere Frau zu vergessen: Yo, eine elfenhafte Verführerin mit einem tätowierten "WEITER!"-Schriftzug auf dem Bauch.
Etwa zwanzig Jahre später: Léo, der Sohn von Nimrod und Kléa, will seine Liebe zu Kaspar leben. Doch während er davon träumt, sich in die Natur zurückzuziehen, glaubt Kaspar gerade umgekehrt, dass ihre Liebe nur Bestand hat, wenn sie sich im öffentlichen Raum der social media und des world wide web dokumentiert findet. Nach der Trennung von Léo zeugt Kaspar zusammen mit einem lesbischen Paar eine Tochter: Lia.
Nochmals rund zwanzig Jahre später: Anlässlich von Kaspars Beerdigung folgt Lia der flüchtigen Spur ihres Vaters und seiner Liebe.

"APHRODISIA ist Bestandsaufnahme einer heutigen Gesellschaft, die auf Effizienz beruht und in der Wesen zu funktionalen, nützlichen Objekten geworden sind, die sich blindlings in ihren Objektstatus fügen. Isolation und Rückzug werden durch neue Arbeits- oder Beziehungsformen verhindert, die erforderlich machen, dass Individuen keine Individuen mehr sind, sondern sich im Netz offener Räume, in sozialen Netzwerken verfangen, bei optimierter Sichtbarkeit. Gefragt nur, wenn die Zustimmung anderer und die Anerkennung durch andere gefragt sind: angepasste, gemeinsame, übereinstimmende Wesen. (...) Wie kann Liebe in dieser sozialen Logik existieren, wenn Liebe und Begehren unbrauchbar sind, keinen nützlichen Zweck verfolgen, wenn der oder die Geliebte Nichtsnutze sind?" (Jean-Philippe Cazier)

Für APHRODISIA erhielt Christophe Pellet 2017 den Grand Prix der Académie Française.
1D-3H (auch größer besetzbar)
Deutsch von Gerhard Willert
1H
UA: Théâtre de Thouars, 18.11.2010. R: Matthieu Roy, Spiel: Philippe Canales.
DSE: Nachtspiel/Theater Phönix, Linz, 25.10.2018. R: Gerhard Willert, Spiel: Bastian Dulisch.
Der leidlich erfolgreiche Stückeschreiber und Autor Thomas Blanguernon hat genug von Frankreich, von der französischen Gesellschaft und vom französischen Theater. Er flieht nach Berlin. Doch dann geht ihm das Geld aus. Er nimmt die Einladung zu einem Vortrag auf einer Konferenz zur Krise des Theaters an. So findet er sich plötzlich wieder in einer Kulturinstitution des französischen Staates, und also inmitten all dessen, was er verachtet. Es entspinnt sich ein so virtuoses wie furioses, so gallig komisches wie abgrundtief trauriges Solo der Verfluchung und Verwünschung, das Le Monde als "eines Thomas Bernhard würdig" beschrieben hat.
Auf hinterhältige Art und Weise benützt Pellet in diesem 2009 geschriebenen Text die Matrix des Theaters als Sprungbrett für eine radikale Kritik unserer neoliberalen konsumtrunkenen gesellschaftlichen Verfasstheit. Dass er darüber hinaus bereits damals die momentan tobende Migrationsdebatte scheinbar wie nebenbei aufgespießt hat, kann man nur als visionär bezeichnen. Ironischerweise wurde Christophe Pellet für "Der Vortrag" vom französischen Kulturministerium mit dem Grand Prix de Littérature Dramatique ausgezeichnet.
1H
Deutsch von Gerhard Willert
2D-2H (oder 1D - 3H)
Die Träumer, das sind zugleich Schauspieler, Figuren und Geister, allesamt sensible Verkörperungen von Wesen am Rande ihrer Existenz. Christophe Pellet hebt soziale Masken ebenso auf wie jede organische Trennung zwischen dem Männlichen und dem Weiblichen. Er bringt zwei Welten ins Gleichgewicht: die der Repräsentation, in der man lediglich eine von der Gesellschaft zugewiesene Rolle spielt, und die der Präsenz, sich selbst und der Welt gegenüber, eine Welt der Identität in ständiger Metamorphose. "Die Träumer" ist ein poetischer Aufruf zur Revolution der Körper gegen Binarität und Patriarchat.
2D-2H (oder 1D - 3H)
Deutsch von Gerda Gensberger
1D-2H
UA: Nationaltheater Straßburg, 31.1.2017. R: Stanislas Nordey (mit Emmanuelle Béart in der Hauptrolle)
Sie, "der Eine" und "der Andere" - das ist das Personal von Christophe Pellets ménage à trois. "Der Eine" stellt seine Schönheit und Jugend in den Dienst der Pornoindustrie, solange sein Körper noch mitmacht. "Sie" ist erfolgreiche Unternehmerin, die die beiden Männer zwischen zwei Geschäftsterminen einschiebt. "Der Andere" scheint durch alle Netze gefallen zu sein, nirgendwo Halt zu finden – weder im Privaten, noch im Arbeitsleben. In fassbinderscher Kühle und Präzision erzählt ERICH VON STROHEIM von Paarbeziehungen und den Machtstrukturen, die ihnen innewohnen. Dabei erkundet Pellet die Grenze zwischen Außen- und Selbstwahrnehmung, Realität und Inszenierung, Körperlichkeit und Reflexion, Pornographie und Psychologie. Seine Figuren eint der Wunsch nach Selbstdefinition in einer kalten, abweisenden Welt. Zum Inbegriff dieses Wunsches wird ihnen Erich von Stroheim: einer der großen Filmemacher der 20er Jahre, und zugleich ein genialer Betrüger mit Hang zur Selbstdarstellung.
Die Uraufführung von ERICH VON STROHEIM am Nationaltheater Straßburg mit Emmanuelle Béart in der Hauptrolle (R: Stanislas Nordey) sorgte 2017 für großes Aufsehen und ist seither international auf Tournee.
1D-2H
Deutsch von Jakob Schumann
4D-2H
Der neunjährige Pierre gilt seiner Umwelt als sensibel - wie ein Panda. Er hat zwei Mütter und einen Vater. Und er hat auch seine Freundin Maria. Die wiederum hat eine Mutter und einen Vater, die sich nicht besonders gut vertragen, und drei Brüder, die ziemlich unerträglich sind. Für Marias Papa besteht eine Familie aus Vater, Mutter und Kind. Er verbietet seiner Tochter, Pierre zu besuchen. Aber Maria versteht das nicht: Sie will doch nichts weiter, als bei Pierre zu sein und mit seinen beiden Müttern zu tanzen.
Zärtlich, aber ohne zu beschönigen wirft Christophe Pellet in seinem Kinderstück die Frage nach der Familie auf: nach der, die man hat, und nach der, die man gerne hätte. Er eröffnet Kindern einen Blick auf gleichgeschlechtliche Erziehung und thematisiert die Schwierigkeit, Ängste vor dem Anderen und dem Anderssein zu überwinden.
PIERRE IST EIN PANDA ist nach WER HAT ANGST VOR DEM WOLF? das zweite Stück von Christophe Pellet für ein junges Publikum.
4D-2H
Altersempfehlung: ab 6 Jahren.
Deutsch von Frank Weigand
3D-2H
Der junge Dimitri wächst ohne Eltern auf. Seine Mutter ist zum Arbeiten ins Ausland gegangen, sein Vater verdingt sich als Söldner. Als auch noch sein geliebtes Skateboard kaputtgeht, möchte Dimitri am liebsten ein wildes Tier werden. Flora, seine beste Freundin, schminkt ihn als Wolf – und das Unglaubliche geschieht: Dimitri verwandelt sich tatsächlich in ein Wolfsjunges und flieht in den Wald... WER HAT ANGST VOR DEM WOLF? ist ein phantasievolles Märchen über zwei Kinder und ihre Phantasie-Fluchten in einem vom Krieg gezeichneten Land.
3D-2H
Altersempfehlung: ab 8 Jahren.
Fünf Theaterstücke aus Frankreich
Zusammen mit Eugène Durif, Alain Gautré, Olivier Py und Lionel Spycher
In allen fünf hier versammelten Stücken sind die Figuren damit beschäftigt, sich in der Welt heute zurechtzufinden. Sie suchen. Sie werden krank dabei und verlieren sich in Aggression oder Apathie. Sie täuschen sich und die Welt, indem sie, wie bei Lionel Spycher, auf Ersatzbefriedigung hoffen im Konsum und Machtspiel der sexuellen und materiellen Ausbeutung. Mal ist die Welt ein Supermarkt (Spycher), mal eine geschlossene Anstalt (Durif). Hier brechen die Schutzwälle in einer einzigen Nacht auf (Gautré), dort verästeln sich die feinen Risse und tiefen Gräben über Generationen hinweg (Pellet). Bei Olivier Py erreicht die Welterfahrung eine geradezu mystische Theatralität. So geht es in diesem Theater eben immer noch und wieder um immer das eine: sich und die Welt so zu erfahren, dass vielleicht tatsächlich etwas Wahres darin aufscheinen könnte.

INHALT:
Eugène Durif, "Kreise drehen". Alain Gautré, "Familienbande". Christophe Pellet, "Das Giraffenkind". Olivier Py, "Die Feier des Labyrinths". Lionel Spycher, "9 MM".

416 Seiten. broschiert. 18€
ISBN: 978-3-88661-239-0