Peter Urban

geboren 1941 in Berlin. Aufgewachsen in Halle an der Saale, Übersiedelung in den Westen 1957. Von 1961 bis 1966 Studium der Slavistik, Germanistik und Geschichte in Würzburg und Beograd. Von 1966 bis 1968 Lektor im Suhrkamp Verlag. 1969 Mitbegründer des Verlags der Autoren in Frankfurt am Main. Danach freier Autor und Übersetzer aus dem Russischen, Serbokroatischen und Cechischen. 1968 Beginn der Übersetzung und Edition des Gesamtwerkes von Anton Čechov. Von 1974 bis 1977 Dramaturg im Hörspiel des Westdeutschen Rundfunks Köln. Von 1977 bis 1989 Lektor und zeitweise Geschäftsführer im Verlag der Autoren, danach freier Schriftsteller und Übersetzer. 1998 Verleihung des Dr. h.c. durch die Universität Regensburg. Peter Urban starb 2013 in... Weidmoos/Vogelsberg.

Auszeichnungen (Auswahl):

2008 Turgenev-Preis der Jelzin-Stiftung, Moskau
2003 Jane-Scatcherd-Preis
2000 Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung
1994 Hessischer Kulturpreis für Vermittlung von Kunst und Kultur
1980 Helmut M. Braem-Übersetzerpreis
1974 Übersetzerpreis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung


Werke

3D-7H
UA der Übersetzung: Schaubühne am Lehniner Platz, Berlin, 14.2.1984. R: Klaus Michael Grüber
Die Handlung spielt nachts in einer Schenke an der Großen Straße. Unter allen möglichen Landstreichern und Pilgern, die in der Schenke eingekehrt sind, um sich aufzuwärmen und zu übernachten, befindet sich ein heruntergekommener Adeliger, der den Branntweinverkäufer anfleht, ihm auf Kredit zu trinken zu geben. Aus dem Gespräch geht hervor, dass der Adelige alles vertrunken hat, aus Kummer infolge der Tatsache, dass ihn seine Frau am Tage der Hochzeit verlassen hat. Zufällig, vor dem Unwetter Schutz suchend, gerät eine gnädige Frau in die Schenke, in der der unglückselige Trunkenbold seine treubrüchige Gefährtin erkennt. Einer der Schenkenbesucher, der Mitleid mit dem Adeligen verspürt, erhebt gegen sie die Axt, man fällt ihm jedoch in den Arm, und die dramatische Skizze endet mit einem missglückten Mordversuch. Dieses finstere und schmutzige Stück kann m. E. nicht zur Aufführung zugelassen werden. - Zensor f. dramat. Werke Kejzer fon Nilkgejm. (aus einem Rapport der russischen Zensurbehörde von 1885)
3D-7H
8D-14H
UA der Übersetzung: Deutsches Schauspielhaus Hamburg, 12.10.1972. R: Dieter Giesing
BARBAREN handelt von dem Zusammenprall einer neuen Zeit, der technischen Revolution, mit der alten, stillstehenden. Szene: eine russische Kleinstadt, in die zwei Ingenieure kommen, um den Bau der Eisenbahn vorzubereiten und die Zivilisation in das Land der "Barbaren" zu tragen, in das hinterwäldlerische Milieu eines heruntergekommenen Adels und korrupten Beamtentums. Oder sind die Neuerer die Barbaren, die "dieses ganze Idyll zerfetzen" werden: der amoralische Ingenieur Zyganow und der so aufbaufreudige, aber gefühlsgrobe Tscherkun?
Wieder verflicht Gorkij die Motive, die Handlungen und Stimmungen: Arbeit und Amüsement, Liebesbeziehungen, philosophisches Räsonnement; am Ende ein Entlarvungs-Tanz der Kleinstädter und die grelle Katastrophe der Liebe. Romantische, groteske und melodramatische Bilder über den Konflikt zwischen dem patriarchalischen, "hölzernen" und dem kapitalistischen, "eisernen" Russland.
8D-14H
1H
UA der Übersetzung: Tübinger Zimmertheater, 29.11.2007. R: Mario Keipert
Dostoevskijs Einakter und "Aufzeichnungen einer Person", deutsch von Peter Urban:
Unter den Trauergästen bei einer Beerdigung ist auch ein junger Dichter, der gerade eine Schaffenskrise hat. Nachdem die Prozession vorbei ist, bleibt er noch ein wenig auf dem Friedhof um sich zu sammeln. Plötzlich hört er Stimmen. Die Toten sind gar nicht tot. Sie befinden sich für ein paar Monate in einer Art Zwischenstadium, einer höchst lebendigen Unterwelt, bevor sie endgültig verstummen. Die Toten spüren ihrem Leben nach, und der Dichter schöpft neue dichterische Kraft...
1H
1D-10H
Dieser lange Einakter ist eine Überraschung für jeden, der Turgenev nur als den Autor des MONATS AUF DEM LANDE kennt, als Vorläufer Tschechows und Begründer des psychologischen Theaters in Russland. DAS FRÜHSTÜCK BEIM ADELSMARSCHALL steht vielmehr in der Linie Gogol-Ostrovskij und ist, mit sechs prachtvollen Herren und einer nicht minder prachtvoll zickigen Alten, eine Sternstunde der russischen Charakterkomödie, die, 1849 uraufgeführt, nie aus dem Repertoire der klassischen russischen Dramatik verschwunden und oft mit Tschechow-Einaktern kombiniert worden ist. Gezeigt wird ein Erbschaftsstreit, in dem jeder gegen jeden losgeht, aber alle an einer alten Tante scheitern, der keiner gewachsen ist: ein Glanzlicht der Gattung, "realistisch" und vollkommen absurd.
1D-10H
2D-2H
UA der Übersetzung: Vereinigte Bühnen Krefeld-Mönchengladbach, 28.9.1980. R: Horst-Gottfried Wagner
Bankdirektor Sipucin und Buchalter Chirin bereiten sich auf die Jubiläumsfeier einer Privatbank in einer russischen Stadt um 1888 vor. Nervosität und feierliche Vorfreude wechseln einander ab. Der Vortrag für die Generalversammlung ist noch nicht ganz fertig. Es ist noch einiges zu tun, der Zeitplan ist festgelegt. Es gibt keine Zeit zu verlieren. Beide Herren möchten konzentriert ihre Termine absolvieren. Doch dann kommt alles ganz anders.
2D-2H
Besetzung ad libitum
UA: Staatsschauspiel Dresden, 9.11.1994. R: Carsten Ludwig
DAS JUBILÄUM zeigt eine Feier zum zehnjährigen Bestehen des Cechov-Protein-Kombinats. Großes wurde geleistet: Man konnte das "dringende Bedürfnis nach klassischem Protein" befriedigen. Zur Feier des Tages geben Schauspieler eine Cechov-Aufführung: der gesamte Cechov auf einmal - alle wichtigen Figuren, ihre Sätze beim ersten Auftritt, ihre schicksalsschweren Worte am Stückende.
Besetzung ad libitum
1D-2H
UA der Übersetzung: Staatstheater Darmstadt, 3.4.1977. R: Michael Winfried Schlicht
Popova trauert leidenschaftlich um ihren Mann. Smirnov platzt ungehobelt herein, weil der Verstorbene ihm noch Geld schuldet. Doch für solche Banalitäten ist Popova gerade nicht in der richtigen Stimmung.
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1D-2H
UA der Übersetzung: Staatstheater Darmstadt, 13.4.1977. R: Michael Winfried Schlicht
Über Geldgeschäften droht eine bevorstehende Hochzeit zu platzen. Die materiellen Interessen der Gutsbesitzer stehen ihren Gefühlen im Weg. Erst in höchster Not, kurz bevor die Heiratskandidaten verzweifeln, kommt es zum Happy-End.
1D-2H

Das Werk ist in folgenden Mundartfassungen erhältlich:

  1. Der Heiratsantrag. Hochdeutsch
  2. Der Heiratsantrag.
    Bayerisch von Peter Urban und Reinfried Keilich
5D-11H
UA der Übersetzung: Deutsches Schauspielhaus Hamburg, 17.6.1970. R: Hans Lietzau
Die verwitwete Ljubov Andreevna Ranevskaja kehrt nach langem Aufenthalt in Frankreich auf ihr russisches Gut zurück, das von einem riesigen Kirschgarten umgeben ist. Sie ist von der Schönheit der Kirschblüte und von Kindheitserinnerungen überwältigt. Doch das Gut ist tief verschuldet, und die Zwangsversteigerung steht bevor...

In den letzten Jahren wurde Peter Urbans KIRSCHGARTEN-Übersetzung u.a. von Luk Perceval, Georg Schmiedleitner, Janusz Kica und Andrea Breth inszeniert.
5D-11H
5D-20H
UA der Übersetzung: Schauspielhaus Zürich, 29.3.1992. R: Achim Benning
Gogols Stück schildert die Aufregung in einem verschlafenen Städtchen, als sich das Gerücht von der Ankunft eines Revisors verbreitet. Die Honoratioren erzittern, denn den städtischen Alltag bestimmen Korruption und Schlamperei.
Zufällig sitzt zur selben Zeit der junge Habenichts Chlestakoff in einem Gasthaus: Sein sonderbares Verhalten lässt die Bürger bald vermuten, dass es sich um niemand anderen als den erwarteten - inkognito angereisten - Revisor handeln könnte. Flugs beginnt man ihn zu hofieren und gibt sich alle Mühe nicht nur seines, sondern auch das Wohlwollen der Regierung zu erlangen. Als ein abgefangener Brief Chlestakoffs enthüllt, dass man einem Betrüger aufgesessen ist, beruhigt sich die Gesellschaft bald wieder. Das Spiel kann von vorne beginnen, denn der echte Revisor ist soeben angereist...
Über 150 Jahre nach ihrer Uraufführung scheint Gogols Komödie nur wenig an Aktualität verloren zu haben. Das Bild einer korrupten Kleinbürgergesellschaft, das ursprünglich auf die Missstände im auto- und bürokratisch regierten Russland des Zaren Nikolaus I. gemünzt war, scheint heute nicht weniger geeignet, einer von Korruption und Skandalen geprägten politischen Kultur den Spiegel vorzuhalten.
5D-20H
BOBOK
Produktion: SDR 1989
Erstsendung: 22.02.1989
50 Min.
Von Suhrkamp zum Verlag der Autoren
Zusammen mit Walter Boehlich, Karlheinz Braun, Klaus Reichert und Urs Widmer
Fünf Autoren, die einmal Lektoren im Suhrkamp Verlag waren, schreiben über die Konflikte mit dem Verleger Siegfried Unseld, die sie veranlassten, gemeinsam diesen Verlag zu verlassen und einen neuen zu gründen. Es geht in diesem Buch also noch einmal um den sogenannten "Aufstand der Lektoren" von 1968. Der "Chronik" 1970 des Verlegers, die letztes Jahr erschien, folgt nun die "Chronik der Lektoren". Sie sieht die Ereignisse aus ihrer deutlich anderen Sicht und verweist damit auf die Subjektivität von Unselds Chronik.

Die Lektoren erinnern sich an einen Kampf um Demokratisierung in einem Verlag, dessen Programm 1968 in einem offensichtlichen Widerspruch zum Verleger stand, der – nach Walter Boehlich – Besitzverhältnisse mit persönlichen Leistungen verwechselte. Dass dieser Konflikt sich in einem Verlag entwickelte, der wie kein anderer die "progressive" Literatur vertrat, war bezeichnend für die Schwierigkeiten einer linken Theorie mit der Praxis. Es war ein Konflikt, der "exemplarische Bedeutung für die Struktur des Verlagswesens, die Abhängigkeits- und Mitbestimmungsverhältnisse in geistigen Berufen" (Wolfram Schütte, Frankfurter Rundschau) hatte.

Fünf Lektoren rekapitulieren die Ereignisse. Der spätere Anglistik-Professor und heutige Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, Klaus Reichert, schreibt seine eigene "Chronik eines Lektors". Peter Urban, der Übersetzer und Neuentdecker slawischer Literatur, erzählt von einer Verlagsarbeit mit Folgen, an die Urs Widmer, der Schriftsteller wurde, in dem gemeinsamen "Traum vom herrschaftsfreien Arbeiten" erinnert. Karlheinz Braun, langjähriger "Delegierter" der Autoren, interpretiert und kommentiert den "Aufstand". Und vom damaligen Cheflektor Walter Boehlich, der im September 2011 seinen 90. Geburtstag feiern würde, gibt es aus dem Nachlass ein Kapitel mit bislang unveröffentlichten Briefen an Ingeborg Bachmann, Max Frisch, Uwe Johnson, Siegfried Lenz, Siegfried Unseld u.a., die seinen jahrelangen Schwierigkeiten mit dem so ungleichen Verleger und dem Schmerz über das Nichterreichte Ausdruck geben. Und der dann umso engagierter an der Verwirklichung des "Traums" von einem "Verlag der Autoren", der seinen Autoren und Mitarbeitern gehört, arbeitete, von dessen Gründungsgeschichte das letzte Kapitel des Buches erzählt.

216 Seiten. broschiert. 18€
ISBN: 978-3-88661-345-8

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